Mondscheinjammer
Begebenheiten in Parkerville noch immer nicht.
Miss Liliane nickte langsam. "Er kam und forderte vom alten James einen Teil der Ranch. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass er tatsächlich sein Sohn war. Als dieser ihn jedoch fortschickte, verfluchte er die Familie und alles, was mit ihr zu tun hat."
"Aber so was tut doch jeder Mal", rutschte es Vanessa raus. Sie wurde prompt rot und beeilte sich, sich erneut einen Bissen Kuchen in den Mund zu schieben. "Ich meine, wir wünschen doch nicht allen Leuten immer nur Gutes" sagte sie kauend. "Aber deswegen passiert doch noch lange nicht wirklich was."
Miss Liliane schwieg einen Moment, dann schien sie sich entschieden zu haben, fortzufahren: "Zunächst ging alles seinen gewohnten Gang, doch eines Nachts verschwand ein Arbeiter der Ranch und wurde am nächsten Morgen leblos aufgefunden."
"Kenny Zucker? fragte ich atemlos.
Miss Liliane sah mich nur schweigend an, dann sagte sie: "Ja, Kenny. Das Kuriose war: Es gab überhaupt kein Blut, nirgendwo. Ich habe ihn gesehen. Er war praktisch nur noch eine leere Hülle."
"Und dann?"
"Dann ging es los. Immer mehr Menschen verschwanden, es kam zunehmend zu Überfällen, nicht nur auf der Carter-Ranch, sondern in der ganzen Stadt."
"Wer glauben Sie, wer das war?" Vor Aufregung knete ich meine Serviette zwischen den Händen.
"Ich glaube", sagte sie. "Dass Benjamin in Seattle etwas Schreckliches zugestoßen ist und dass er sich nun rächte, für all das, was ihm verwehrt geblieben ist."
"War er denn tatsächlich der Sohn des alten Carters?"
Miss Liliane zuckte die Schultern.
"Aber es hörte doch dann ganz plötzlich auch wieder auf", warf Vanessa ein.
"Ich weiß nicht, was genau, passiert ist. Ich erinnere mich nur noch an das Feuer in der Scheune. Sie ist bis auf die Grundmauern abgebrannt und dann war mit einem Mal Ruhe. Doch ich hatte seitdem jeden Tag Angst, dass es wieder anfangen könnte und nun ist es wohl soweit. Ich hatte gehofft, das nicht mehr erleben zu müssen."
"Glauben Sie, dass die Ereignisse jetzt wieder etwas mit Benjamin zu tun haben?" Eigentlich brauchte ich auf diese Frage keine Antwort mehr. Ich verstand endlich, was los war. Benjamin war in Seattle in einen Vampir verwandelt worden, seine Mutter war kurz zuvor verstorben und wütend wie er war, machte er die Carters für sein Unglück verantwortlich. Sie allein hatten ihm die Aussicht auf ein zufriedenes Leben verwehrt. Maud Carter durch ihre Geschichte über den angeblichen Diebstahl, von dem ich mir nicht sicher war, ob es ihn tatsächlich gegeben hatte und James Carter, der ihn vom Hof gejagt hatte, wie einen räudigen Hund.
"Er wäre jetzt um die sechzig Jahre alt." Sie zuckte erneut die schmächtigen, schmalen Schultern.
Oder ein Vampir - dachte ich. In meinem Kopf arbeitete es. Benjamin war Xanders Schöpfer, er war es gewesen, den ich in der Nacht auf dem Feld gesehen hatte, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Er war es, der darauf wartete, dass der alte Carter starb. Doch zwei Fragen waren noch unbeantwortet: Was war das für in Pakt, der die Familie hier in Parkerville schützte und was hatten die Hudsons damit zu tun?
"Und Sie meinen, er will sich immer noch an den Carters rächen? Aber momentan sind doch vor allem die Hudsons betroffen", sprach Vanessa meine Gedanken laut aus.
"Die Hudsons und die Carters sind die ältesten Familien dieser Gegend. Sie verbindet viel mehr als nur bloßer Besitz. Nicholas Hudson war damals die rechte Hand von James Carter, er hat eine Carter geheiratet, die beiden Familien sind untrennbar miteinander verbunden."
"Nicholas Hudson hat eine Carter geheiratet?" Ich war verwirrt. Waren Sam und Ashley dann vielleicht sogar miteinander verwandt? Wieso hatte er das nie erwähnt?
"Ja, die Tochter vom alten Carter. Nelly."
"Ich verstehe nur noch Bahnhof", seufzte Vanessa und ließ sich rückwärts in die Kissen plumpsen. "Ist es nicht egal, wer wen geheiratet hat? Das tut doch nichts zur Sache."
"Vielleicht ja doch", überlegte ich laut. "Irgendetwas musste vorgefallen sein. Aus welchem Grund sollte es Benjamin jetzt sonst auf die Hudsons abgesehen haben?"
"Kind, bist du wirklich davon überzeugt, Benjamin Butler steckt hinter all diesen schrecklichen Taten?"
Ich biss mir auf die Zunge. Ich hatte nicht aufgepasst. Natürlich konnten weder Miss Liliane noch Vanessa meinen Gedankengang verstehen. Oder doch? Miss Lilianes Blick sprach Bände, als sie sagte: "James Carter ist sehr krank und du darfst nicht
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