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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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anderen Ende des Tunnels. Zwei Gestalten saßen in der Dunkelheit, beide
hatten sie das gleiche Gesicht.
    „Wir waren zuerst da.“
Der Linke lachte und kam auf Händen und Füßen näher. „Willst du nicht kämpfen?“
    „Ich habe kein Schwert“,
flüsterte Linus. Seine Antwort schmeckte nach einer Lüge, nach einer bitteren.
„Seid ihr Brüder?“ Als ob ihn das interessierte.
    „Zwillinge um genau zu
sein. Hint und Farg, so heißen wir. Du bist der lebendig Begrabene, nicht
wahr?“ Der Vordere der Zwillinge zog sich einen unsichtbaren Hut vom Kopf.
    Linus sah zu den kämpfenden
Weißen zurück, überall blitzten Schwerterklingen auf. Alles ging so schnell,
Duelle wurden in wenigen Atemzügen gewonnen oder verloren, die ersten Leiber
wurden von einer Flut aus Armen und Beinen verschluckt und nicht selten gingen
Weiße zu Boden, von der Übermacht überrollt. Am liebsten hätte Linus die Augen
geschlossen und die Ohren zugehalten und alles um sich herum vergessen. Dies
hier mochte vielleicht kein Krieg sein, aber blutig war er allemal. Oft hatte
er in Mortis‘ Geschichten von Schlachten und Kämpfen gehört, von tapferen
Kriegern und großen Helden. Linus war keines von beidem und der Kampf dort
unten war weder schillernd noch schön, so wie er oft beschrieben wurde. Blutig
war er, mehr nicht.
    „Mann, das sind viel
mehr Jäger als Weiße, was? Das sieht nicht gut aus.“ Einer der Zwillinge stand
direkt hinter Linus, gebückt und auf allen vieren starrte er hinunter.
    Mittlerweile waren in
dem kämpfenden Getümmel viel mehr dunkle Punkte als weiße zu sehen und es kamen
noch immer neue Jäger hinzu.
    Wenn Linus nur ein
Schwert hätte und ein bisschen mehr Mut, dann wäre er zu Glinx und den anderen
gegangen. Doch ihm fehlte beides und er konnte nichts dagegen tun. Feige saß er
hier oben, in einem dunklen, viel zu engen Tunnel, wo man nichts anderes tun
konnte als warten und bangen … und plötzlich erinnerte sich Linus wieder. An
jedes einzelne Wort von Glinx. An den unterirdischen Fluss hinter den Tunneln.
    Linus stand auf und
krabbelte zum Ausgang des Tunnels. Er hatte so lange gekniet, dass sich seine
Beine nun blutleer und taub anfühlten.
    „Wo willst du hin? Du
willst doch nicht etwa kämpfen? Da unten stirbst du doch nur.“ Die Stimme des
Zwillings klang schrill und übertonte für einen Moment sogar das Geklapper und
Geklirr der Kämpfenden.
    „Ich gehe hinauf. Und
grabe.“ Linus brachte kaum ein Wort heraus, war vor lauter Aufregung ganz
atemlos. „Ich will den unterirdischen Fluss hereinlassen, damit die Jäger uns
nicht besiegen. In ihren schweren Rüstungen gehen sie unter, sie werden sterben.“
    Hint oder wer auch immer
er war, sah ihn eine Weile lang an und klopfte sich gegen die Stirn. „Das ist
nicht dein Ernst, oder?“
    „Wenn ihr nicht helfen
wollt, dann bleibt hier, aber seid leise. Ich muss mich beeilen.“ Linus klang
wie ein entschlossener, starker Held, obwohl er viel zu ängstlich war um zu
kämpfen. Er schlüpfte aus dem Tunnel und kletterte mit bebenden Gliedern die
Leitern hinauf, ohne einmal nach unten zu schauen. Hier draußen klang alles
viel lauter, jeder Schlag und jeder Schrei schien sich innerhalb von einem
Wimpernschlag zehn Mal zu wiederholen.
    Linus verschwand in
einer der oberen Tunnel, mehrere alte Spaten lagen auf dem Boden. Einen von
ihnen schnappte er sich und ging ans Ende des Tunnels, in dem schon längere
Zeit niemand mehr gegraben hatte. Balken und Steine versperrten die Wand und
nahmen Linus jeden Mut. Dies hier war zwar ein Gang, der besonders gefährdet
und darum auch verbarrikadiert worden war.
    „Du hättest auch noch
auf uns warten können, anstatt davonzurennen.“ Die Zwillinge standen auf einmal
hinter ihm, jeder hielt eine Schaufel und grinste breit. Ohne länger zu reden,
begannen sie die Steine zur Seite zu hieven. Sie waren nicht besonders schwer,
doch nach einer ganzen Weile schienen sie viel größer und härter zu sein und
sie alle ächzten und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Irgendwann lagen
die Steine aufgetürmt neben ihnen und vor ihnen war nur noch die Wand,
ungeschützt und blank. Schmale Risse waren in der Erde zu sehen, man konnte sie
in der Dunkelheit nicht sehen, nur spüren, wenn man langsam darüberfuhr. „Da
ist sie also.“
    Linus fürchtete sich,
vor einer Wand, einer lächerlichen. Nur ein paar Spatenstiche, mehr nicht. „Ich
schaue noch mal hinunter“, murmelte er. „Vielleicht gewinnen sie ja

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