Mondschwingen (German Edition)
murrend eine schwere
Holztür auf und lief mit großen Schritten weiter. „Die Burg brennt und wir
werden abgeschlachtet wie Schweine, aber ich habe nichts anderes zu tun, als
ein Mädchen zu einem Flittchen von Frau zu führen.“ Sie sprach nur leise, doch
ihre Worte hallten im Gang wieder und waren allzu deutlich zu hören.
„Überleg genau, was du
sagst.“ Svija wusste, wie leer ihre Drohungen klangen. Auf ihrem Weg zu den
Kerkern war nichts als Dunkelheit, die umso erdrückender wirkte, je stiller es
war. Sie kamen in einen Gang, an dessen Ende eine stachelbesetzte Tür geöffnet
war.
„Wir sind da“, zischte
das Fräulein.
Svija ließ das Schwert
sinken und steckte es zurück unter den Mantel. „Danke“, flüsterte sie.
Sie blickte der Dame
hinterher, bis sie verschwunden war, und trat schließlich über die Schwelle,
die Treppe hinab.
Vielleicht, dachte
Svija, ist alles leer, vielleicht ist Thijs schon längst hier gewesen …
Langsam, ganz langsam
hob sie den Kopf, als sie am Ende der Treppe angekommen war. Einen Moment lang
sah sie nichts. nichts außer Gitterstreben und Dunkelheit dahinter.
„Du bist es?“ Svija
erkannte die Stimme sofort. Amber kam aus der Dunkelheit ihrer Zelle gekrochen,
ihre weißen Haare leuchteten im Dunkeln.
„Ich hatte gehofft, dass
du noch kommst, ich hab es so gehofft.“ Sie streckte die Arme durch die
Gitterstäbe und fasste Svija an den Händen. Tränen standen ihr in den Augen,
manche rannen ihr übers schneeweiße Gesicht. In der Zelle gegenüber erschien
Gwaedja.
„Hast du die Schlüssel,
hast du sie? Oh, bitte, sag, dass du sie hast.“ Sie kniete sich nieder, Haare
fielen ihr ins Gesicht.
Die Schlüssel … Svija
wäre am liebsten wieder verschwunden. An die Schlüssel hatte sie noch keinen
einzigen Moment gedacht, an Amber und Gwaedja und an die Kerker, in denen sie
saßen, aber nicht an die dreimal verfluchten Schlüssel. Die Stille, die hier
unten herrschte, das gespannte Warten, das pochende Hoffen, all das schnürte
Svija die Kehle zu. „Ich … hab sie nicht“, stammelte sie und sie kam sich dumm
vor und schwach.
Gwaedjas Hände öffneten
sich langsam. Seufzend sank sie zu Boden und legte den Kopf auf die Knie.
„Entschuldige. Ich wollte nicht … natürlich hast du sie nicht.“
Svija zuckte zusammen,
als hätte Gwaedja sie soeben geschlagen.
„Du musst dir keine
Vorwürfe machen, Svija. Thijs trägt die Schlüssel stets bei sich, das hat er
uns gestern erzählt.“ Amber kroch weiter in die Dunkelheit zurück. „Bald kommt
Thijs und nimmt Gwaedja mit sich. Mich lässt er hier, hat er gesagt.“ In ihrer
Stimme steckte so viel, so viel an Verzweiflung und Wut und Angst zugleich.
„Gib mir das Schwert“,
sagte sie auf einmal und stand auf. „Ich brauch dein Schwert.“ Sie zeigte auf
Svijas Mantel und kam ganz nah an die Gitter heran.
Svija rührte sich nicht,
sie sah nur Amber an und verstand nichts und wollte nichts verstehen. „Was
willst du damit?“, fragte sie heiser. „Ich bin die einzige, die euch helfen
kann.“
Amber lachte und hielt
sofort inne. „Helfen. Das klingt so leicht.“ Sie streckte den Arm aus und
berührte Svija an der Hand. „Gib mir das Schwert, schnell!“
Über ihnen erklangen
Schritte, schnelle, laute Schritte.
„Schnell. Gib es her.“ Die Schritte hallten bereits
in dem Gang über ihnen.
Svija zog das Schwert
hervor, sah es einen Moment lang an und schob es durch die Stäbe hindurch.
Amber ergriff es und scheuchte Svija davon. „Da hinten, dort ist es dunkel.
Versteck dich, schnell.“
Jetzt kamen sie schon
die Stufen herunter, jeden Moment könnten sie den gesamten Kerker überblicken.
Svija stolperte davon, trat sich beinahe auf die eigenen Füße und zog sich
schließlich in ein finsteres Eck zurück, wo sie hoffentlich niemand sehen
konnte.
Thijs tauchte als erstes
auf. Er trug eine Rüstung, mit einer roten aufgemalten Feder auf der Brust. „Es
ist soweit“, sagte er und blieb mit zwei anderen Weißen vor Gwaedjas Zelle
stehen.
„Es sieht fast so aus,
als ob wir noch vor Sonnenaufgang den Sieg davontrügen. Und im Augenblick des
tragischen Todes der Jäger, wird Kastja noch mehr von all dem Übel ertragen
müssen. Entweder er wird sterben, oder aber – und ich will es nicht beschreien,
doch sehe ich Letzteres voraus – er wird dir beim Sterben zusehen.“
Er rieb sich die Hände,
wie ein kleines Kind beim ersten Schnee.
„Siehst du nicht, wie
schrecklich du geworden
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