Mondschwingen (German Edition)
mehr düster und böse, allein der Gedanke an eine Entschuldigung
machte ihn so ängstlich wie niemals zuvor. Nur ein einziges Wort und trotzdem
fürchtete er sich.
Mit kleinen Schritten
kam ihm Thijs entgegen, den Kelch weit von sich gestreckt.
„Warum machst du das?
Gerade wolltest du mich noch umbringen und nun willst du eine Entschuldigung,
nicht mehr als eine Entschuldigung?“
„Das Leben ist
verrückt.“ Thijs trat an Kastja heran, der noch immer das Messer in den Händen
hielt und einen Moment lang schien es, als wolle er zustechen. Stattdessen aber
nahm er den Kelch entgegen und sah in die Flüssigkeit hinab. „Wein“, wisperte
er. „Woher soll ich wissen, dass du ihn nicht vergiftet hast?“
„Weil du mir vertrauen
sollst, darum.“
„Vertrauen und
Entschuldigung. Ich weiß nicht, warum wir uns ausgerechnet jetzt vertragen
sollten, mein Sohn. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe, doch ich bereue es
deswegen noch lange nicht. Reue, Vergebung, das Abarbeiten von Sünden … wozu,
sag mir wozu!“
Thijs kam zu keiner
Antwort mehr, denn plötzlich tauchten Massen von Weißen auf. Der Platz wurde
schlagartig hell. Selbst auf den Dächern tauchten sie auf, von allen Seiten,
aus allen Richtungen.
„Wir haben gewonnen“,
schrie einer unter ihnen. Kein Toben, kein Tosen, niemand schrie, niemand hob
den Arm. „Die Jäger haben sich ergeben.“
Die Jäger wurden unruhig
im Herzen des Platzes, manche zogen die Schwerter, andere wiederum sanken auf
den Boden und legten die Waffen nieder. Alles ging so schnell, so leise.
Kastja drehte sich im
Kreis. „Ergeben? Meine Männer ergeben sich nicht, sie ergeben sich niemals,
hört ihr, niemals!“
„Wenn du es nicht
glauben kannst, dann geh in die Straßen und schau dich um, großer König!“ Der
Spott in der Stimme des Weißen ließ Kastja erschauern. „Manch einer liegt immer
noch im Dreck und fleht uns an, ihn zu verschonen, die meisten anderen sind aus
der Burg geflohen, viele waren es ohnehin nicht mehr.“
Der Hof pulsierte, doch
keine Schwerter klirrten, niemand sagte etwas, als glaubten sie alle zu
träumen. Die ersten blassen Streifen erschienen am Morgenhimmel.
Kastja sah sich um,
blickte zu seinen Jägern, die nun alle auf dem Boden knieten.
„Das war es?“, kreischte er. „Das war alles?
Ihr gebt einfach auf, euch ist mein Werk, mein Leben nichts wert?“ Die Augen
hatte er weit aufgerissen, seine nassen Haare fielen ihm ins Gesicht,
Schweißperlen rannen ihm die Wange hinab. „Ich dachte, wir kämpfen, so wie wir
es immer getan haben.“ Nun war er es, der zu Boden sank, die Beine winkelte er
an, doch den Kelch legte er kein einziges Mal aus den Händen.
Svija glaubte kaum, was
sie sah. Der Jägerkönig am Boden, die Weißen hatten gewonnen und alles nur in
wenigen Stunden. „Jetzt ist es also soweit.“ Gwaedja stand plötzlich neben ihr
auf dem Dachgiebel, Amber dahinter. „Kastja hat verloren und ich kann nichts
dagegen tun.“
„Es ist gut so“, zischte
Amber. Wie zwei Engel standen Mutter und Tochter auf
dem Dach, redeten leise über das Treiben auf dem Platz, als gehörten sie gar
nicht dazu. „Die Jäger waren in der Unterzahl, die besten sind nach Skopenvang
unterwegs. Es musste so geschehen, sie mussten verlieren.“
Thijs zog das Schwert,
die Spitze umkreise Kastjas eingefallenes Gesicht.
„Das war es also?“
Der Weiße zuckte mit den
Schultern. „Trink, dann darfst du gehen.“
Kastja kicherte und fuhr
sich über das Gesicht. „Seien wir doch ehrlich zueinander, mein Sohn. Dir geht
es nicht um Vertrauen, du vertraust schon lang niemandem mehr.“ Er sah auf den
Kelch in seinen Händen hinab und ließ ihn zwischen seinen bleichen Fingern
tanzen. „Sterben wir nicht alle irgendwann, früher oder später? Das Leben ist
schrecklich und du und ich, wir gehören dazu.“ Er nippte an dem Wein und sah zu
Thijs herauf. „Ist das nicht der fürchterlichste Tod? Wenn man weiß, dass man
bald schon sterben muss, aber man kann nichts dagegen tun. Und gleichzeitig
sieht man, dass man versagt hat, dass alles umsonst war, was man tat.“
Thjis schüttelte den
Kopf. „Es ist tausendmal schlimmer, zu sterben, ohne etwas dafür zu können.
Wenn irgendein Mistkerl über deinen Tod bestimmt und du kannst nichts dagegen
tun.“
Kastja wackelte mit dem
Finger und lachte. „Da hast du wohl recht, mein Sohn.“ Er trank den Wein in
einem Zug. „Wie lang werde ich noch leben?“
Die Jäger auf dem Boden
hoben die
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