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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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es im Haus und irgendwann hatten sich alle Kinder auf
den Stufen versammelt und sahen ehrfürchtig zur Königin hinab.
      „Mein
Name ist Toiva“, sagte Toiva. „Ich werde so schnell gehen, wie ich gekommen
bin. Was ich brauche, ist nicht mehr als ein Mädchen.“ Ihr Blick glitt über die
Köpfe und während sie so die Menge durchsuchte, blickte sie in Augen. Augen
voller Angst und voller Neugier.
    „Ihr sucht mich.“ Eine Gestalt trat die
Stufen herab und aus der Menge hervor.
    „Das ist sie“, flüsterte das Apfelgesicht.
„Das ist Svija.“
    Die Königin sah in das Gesicht des
Mädchens, das einige Schritte von ihr entfernt stand. Rotes Haar umrahmte ihr
Gesicht, hinter den Strähnen blitzten schwarze Augen. Es war ein störrisches,
dickköpfiges, naserümpfendes Mädchen, das erkannte Toiva sofort. Und sie ahnte,
dass der Junge namens Linus verloren war.

 
    Zusammen traten sie ins Freie, wo die Sonne
über den Bäumen stand und ihnen ins Gesicht schien. Ein Spaziergang, nicht
mehr, das hatte Toiva dem Mädchen versprochen.
    „Ich werde Euch nicht begleiten“, brummte
Svija unvermittelt. „Ich fühle mich zuhause wohl.“ Sie folgte Toiva mit ein
paar Schritten Abstand. Die Königin ahnte, dass das Mädchen sie anstarrte –
dass sie sich wunderte, dass die Königin nicht erhaben und schlank war, sondern
die breiten Schultern eines Mannes und den Winterspeck eines vollgefressenen
Krallwüters hatte.
    „Papperlapapp.“ Toiva pustete sich die
kurzen hellen Haare aus dem Gesicht. „Ich hab dich nicht nach deiner Meinung
gefragt, Kleines, also bleib still und höre mir zu.“
    Sie suchte sich einen Weg durchs Dickicht
und setzte sich an einen Bach. Sie schüttelte ihn, damit Luft unter ihre Klamotten
kam. Ganz kurz nur hob sie die Nase ins Licht und genoss das Prickeln. Sie
liebte die Sonne, sie liebte den Sommer – irgendwann später, wenn sie keine
Königin mehr war, würde sie hierher kommen, in den Sommerwald, wo niemals
Schnee fiel.
    Toiva zog sich die Stiefel aus und tunkte
die Zehen ins Wasser. Die Falten ihres Rockes tanzten wie Wellen über das
Wasser.
    Das Mädchen blieb hinter ihr regungslos
stehen.
    „Woher wisst Ihr, dass ich eine
Mondschwinge bin?“
    „Weil du vorgetreten bist.“
    „Ihr wusstet es auch schon zuvor“,
entgegnete das Mädchen ruppig.
    Toiva berührte mit den Fingerspitzen die
Wasseroberfläche. „Spione, natürlich. Wenn du Glück hast, wirst du auch bald
einer von ihnen sein.“
    „Glück!“, spuckte das Mädchen aus. „Ich bin
an Krieg nicht interessiert.“
    „Ebenso wie ich“, sagte Toiva. „Aber es ist
nun mal so, wie es ist und wir können uns nicht alle unter unserem Panzer
verstecken. So schön er auch manchmal ist.“
    Sie klang ungeheuer stark, wenn sie so
redete. Dabei war sie doch gar nicht viel besser als das schreckliche Mädchen.
Noch vor wenigen Monaten hatte sie kaum ein einziges Mal das Gemach hinter
ihrem Thronsaal verlassen, obwohl ihr Mann Einar schon vor zwei Jahren
verstorben war. Im Krieg. Wie all die anderen tausend Elstern und Menschen.
Allein die Vorstellung daran, selbst Königin zu sein, allein zu regieren, von
einer Meute unausstehlicher Adeliger umgeben, ließ sie selbst jetzt noch
frösteln. Trotz aller Wärme im Sommerwald.
    „Ihr braucht mich nicht.“ Das Mädchen
schaute so selbstsicher drein, als glaubte sie tatsächlich ihren Worten.
    „Und wie wir dich brauchen!“ Wir . Wen meinte sie damit? Sich?
    „Es sieht schlecht aus, auf der Fliegenden
Burg. Wenn nicht geradezu miserabel. Etliche Mondschwingen verstecken sich in
den Wäldern und denken nicht im Traum daran, die Fliegende Burg zu besuchen.
Sie würden zu Spionen ausgebildet werden, zu Boten oder zu Soldaten. Sie wollen
sich lieber verstecken, immerzu verstecken und nichts tun. Weil sie sich
fürchten. Genauso wie du.“ Und genauso
wie ich , fügte sie in Gedanken hinzu. Toiva tauchte die Hände ins Wasser
und strich sich danach mit den nassen Fingern über das warme Gesicht.
    „Jede Mondschwinge, die wir finden, muss
uns begleiten. Weil wir ohne euch nicht überleben werden – irgendwann, das ist
sicher, könnten wir uns gegen die Menschheit nicht mehr wehren. Darum, Svija,
musst du mich begleiten. Und bevor du fragst: dir bleibt nichts anderes übrig.
Du hast keine Wahl.“
    „Jeder hat eine Wahl.“ Svija rückte weiter
fort, zurück ins Dickicht. „Dieses ganze Hin-und Her zwischen den zwei Völkern
ist so dämlich -   Leben werden umsonst
zerstört,

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