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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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jeden Tag wird gestritten, immerzu gestritten. Das Einzige“, sagte
sie „was ich will, ist meine Ruhe. Nicht mehr als meine Ruhe.“
    „Wenn jeder so denken würde, wären wir
längst schon tot.“
    „Wenn jeder so denken würde, hätte es Krieg
nie gegeben.“
    Toiva sprang auf, so gut das eben möglich
war, und kam ihr barfuß entgegen. „Vielleicht solltest du gerade darum mit mir
kommen. Nur wenn du aus dem Sommerwald ausbrichst, kannst du etwas erreichen.
Was auch immer es sein mag.“
    Wie dramatisch! Toiva war stolz auf ihre
Worte und sie war sicher, dass sie an Svijas Stelle nicht länger gezögert
hätte. Möglicherweise. Vielleicht auch nicht.
    Mit Nachdruck schüttelte sie die Hand des
Mädchens und drückte sie so fest sie konnte. „Wir brauchen dich!“
    „Schön für euch.“ Svija wollte ihr gerade
den Rücken zudrehen, als Toiva sie am Arm packte.
    „Ich bin eine Königin“, empörte sie sich.
    „Und keine gute.“
    Die Königin holte aus und gab dem Mädchen
eine schallende Ohrfeige. Dann wich sie zurück, erschrockener als das
geschlagene Mädchen, und sah auf ihre gerötete Hand hinab. „Was weißt du denn
schon“, wisperte sie.
    Erst, als das Mädchen ihr erneut den Rücken
zuwandte, wurde sie lauter. „Wenn du jetzt gehst“, rief sie „werden deine
Freunde dafür bezahlen.“
    Sie wäre so gern nun geflohen, fort von dem
Mädchen, fort von dem Wald. Und vor allem vor sich. Wie schäbig sie war, wie
niederträchtig.
    Das Mädchen hielt inne, ohne sich
umzudrehen. Ihre roten Haare bewegten sich im Sommerwind.
    „Wenn du jetzt gehst, wird der Sommerwald
noch heute brennen. Und was übrig bleiben wird, ist nichts als Asche.“
    Nun, ausgerechnet jetzt, glaubte ihr das
Mädchen, das spürte Toiva. Genau so, fuhr es ihr durch den Kopf, genau so
wolltest du eben nicht sein!

 
    Svija verabschiedete sich nicht.
    Sie schlich sich in ein kleines Häuschen,
das fast versteckt war von Bäumen und Büschen, in denen alle Kinder ihre Mäntel
und Stiefel, Hosen und Umhänge verwahrten.
    „Warum willst du dich nicht von ihnen
verabschieden? Mindestens Apfelgesicht hätte das verdient.“
    Svija warf ihr einen fragenden Blick zu.
„Ich hasse Abschiede. Und außerdem geht dich das nichts an. Überhaupt nichts.
Das ist mein Leben, nicht deins.“ Ihre Worte waren giftig, sie hörten sich viel
zu zornig an, um sich noch kühl anzufühlen.
    Toiva zuckte mit den Schultern. „Ja, nun,
das ist es wohl, was?!“ Sie hatte nicht überhört, dass das Mädchen sie geduzt
hatte, sie nahm es wohlwollend auf.
    Svija wühlte in einer der vielen Truhen und
fand endlich ihren eigenen Mantel. Wie sie ihn heraussah aus all dem Wust aus
schwarzem Stoff war Toiva unerklärlich.
      „Du
hast Angst zu weinen. Deswegen bist du auch so verschlossen und missmutig. Weil
du dich davor fürchtest, zu viele Gefühle zu zeigen und somit schwach
auszusehen.“ Toiva strich über einen Pelzmantel, der an der Tür hing und
schauderte prompt. Sie mochte tote Tiere nicht, vor allem nicht in dieser
Form.  
    „Glaub bloß nicht, dass du mich kennst! Ich
komme mit dir mit, mehr nicht.“ Svija schlüpfte in ein Paar Stiefel, zog sich
den Mantel über und knöpfte ihn sich ungestüm zu.
      „Natürlich“, brummte Toiva und schluckte ihre
Neugier hinunter „ich hätte es wissen müssen.“
    Mit wehendem Mantel stürmte Svija aus der
Hütte hinaus, stolperte durch das Unterholz.
    Als man schon den Schnee in der Ferne sah
und es langsam kälter wurde, blieb sie schließlich stehen und schaute sich noch
einmal um. Von hier aus sah man das Haus. Es war kein besonders langer
Abschied, auch kein wortreicher. Svija weinte nicht und doch ahnte Toiva, dass
irgendwo unter dieser Maske sehr viel Trauer steckte.
    Das Mädchen wandte sich um und trat mit
wehendem Mantel in die eisige Schneewelt.

 

 
    LINUS
    und das Bernsteinfest

 
    Der Schneesturm riss an den weißen Tüchern,
mit denen die Tote in den Bäumen hundertfach umwickelt war. Der Wind zerrte an
ihr, es war, als tanze sie einen absonderlichen Tanz, an den nur sie sich
erinnern konnte.
    Tränen vermischten sich mit Schnee.
    Linus war auf dem Verborgenen Friedhof, ein
paar Meilen entfernt von der Frostburg. Umgeben von alten Bäumen und
verwitterten Ruinen – ein Platz, den man nur fand, wenn man wusste, dass es ihn
gab.
    Über ihm, in den Baumwipfeln, hing Marva.
Oder das, was an sie erinnern sollte. Fäden und Seile hielten sie in der Krone
und wenn es dann dunkel

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