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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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werde irgendwo in der
Nähe sein, wo du mich besuchen kannst.“
    Linus wusste, dass er nicht zu
widersprechen brauchte. Mortis durfte die Fliegende Burg nicht betreten, schon
seit etlichen Jahren nicht. Damals, lang noch vor Linus‘ Geburt, war er von
Sternenjägern angegriffen worden und anstatt zu kämpfen, war er geflohen und
hatte all die anderen Mondschwingen, mit denen er gereist war, im Stich
gelassen. Man hatte ihn als Verräter bezeichnet, als Spion oder gar als Überläufer
und schließlich musste er die Fliegende Burg verlassen, wurde ausgespuckt in eine
Welt hinein, in der es nur Menschen geben durfte.
    „Bleib einfach hier“, sagte Linus, als das
Boot in einen Teich abbog, der glatt und kreisrund vor den Toren der
Bernsteinburg lag, wie eine ausgerollte tintenschwarze Zunge.
    Mortis schnaubte. „Ich habe dir doch schon
gesagt, dass ich das nicht kann!“ Er sprach so laut, dass die Kinder hinter
ihnen schlagartig verstummten.
    „Es fällt dir schwer, oder?“, wollte Linus
wissen.
    „Zurückzugehen? Ich weiß nicht.
Vielleicht.“ Mortis hasste Gespräche wie diese. „Ich habe das Gefühl, wie eine
getretene Katze nach Gnade zu winseln. Das Leben als Mensch war gar nicht mal
schlecht, als Liebling des Fürsten, als Geschichtenerzähler ohne eigene
Geschichten.“ Er senkte die Stimme und räusperte sich. „Ja, schwer fällt es mir
wohl.“
    Vielleicht hätte er noch mehr gesagt, doch
plötzlich kroch ein Schemen aus der Dunkelheit, auf dem Felsvorsprung weit über
dem Wasser. Es war der Bernsteinfürst, der dort stand und auf seine
Festtagsgesellschaft hinabblickte.  
    „Eine wahrlich erfreuliche Ansammlung“,
begann der Fürst und sein Lächeln auf den schmalen Lippen war bitter wie Gift.
„Von Jahr zu Jahr werden es mehr Gäste, nicht wahr? Die nächsten drängeln sich
schon hinten am Fluss und warten auf das Fest und vor allem auch auf mich.“ Er
lachte und fuhr sich dabei durchs lockige Haar.
    „Ich möchte nicht viel sagen, denn die
Gaukler und Spielmänner, das Essen und der Wein erwarten euch.“ Einige Gäste
klatschten und blickten dem Fürst auf seinem Felsen strahlend entgegen. „Eines
darf ich aber beileibe nicht vergessen: Meine Ehrengäste sind wie jedes Jahr
gekommen, einer mächtiger als der andere.“ Er lachte erneut und fuhr sich mit
der Zunge über die Lippen. Wieder krochen Schatten aus der Dunkelheit und
traten dem Fürst entgegen, der sie mit übertrieben weit geöffneten Armen
empfing. „Wie schön ihr seid, wie wunderschön!“ Er klatschte in die Hände und
warf rasch einen Blick zurück, zu seinen weniger wunderschönen Gästen.
Einzelnes verzögertes Klatschen folgte, als sich die Ehrengäste aus dem
Dämmerlicht schälten und sich verbeugten.
    Einen nach dem anderen stellte er vor,
zuerst den Frostfürsten, der einen Wimpernschlag zu Mortis heruntersah, dann
fünf Grafen und ihre Frauen und zuletzt einen Fürsten von Skopenvang.
    „Und nun“, sagte der Bernsteinfürst „möchte
ich euch nicht länger warten lassen. Das Fest kann beginnen!“
    Und es begann. Die Tore öffneten sich, die
ersten Flöten waren zu hören, die ersten Stimmen, das erste Geklimper und
Geklirr. Kaum hatten sich die Türen wie riesige Vogelschwingen geöffnet, fuhren
schon die ersten Boote in den Saal. Der bernsteinfarbene Schein schwappte ihnen
entgegen und vertrieb die Nacht aus ihren Gesichtern.
    Ein Kanal führte in die Halle hinein und
während die Seekralster weiterschwammen, glitten die Bootswände ganz dicht an
den diamantenbesetzten Säulen vorbei. Banner hingen von der Decke, überall
waren Teppiche ausgebreitet, der Duft von Brathähnchen und Bier hing in der
Luft.
    Kinder krallten die Hände in die Mäntel
ihrer Eltern, konnten nur schauen und atmen.
    Linus sah zu Mortis zurück, der sich nach
links und rechts umschaute und zu lächeln versuchte, wie er es auch sonst tat,
doch selbst ihm sah man die Nervosität an. Er war bleich im Gesicht und während
er sich umschaute, verweilte sein Blick kein einziges Mal bei Linus.
    Er kannte das Geheimnis! Er kannte das
Geheimnis, das er gesucht hatte, das sah Linus ihm an. Rasch rückte er ein
wenig näher an ihn heran und packte ihn am Arm. „Du weiß es, oder? Du kennst
das Geheimnis?“
    Mortis schüttelte ihn ab, wie eine lästige
Fliege, er fuhr mit dem Zeigefinger über die Nase, hoch und runter, hoch und
runter, so wie er es oft tat, wenn er sich unbehaglich fühlte. Es schien, als
habe Mortis zu jeder Gefühlsregung eine

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