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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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war ein langer Tag“, meinte Toiva und
gab sich dabei ein bisschen geschlagen. „Wir alle sind müde und wir alle sind
zu erschöpft, um höflich zu sein.“
      „Es
ist für alle am Anfang schwer.“ Die Spionin legte einen Holzscheit in den Ofen, der ihn gierig verschluckte. „Es ist alles so neu, so
ganz und gar anders, nicht wahr?“
    Das war es. Viel zu neu und viel zu anders.
Linus mochte nichts an dieser neuen Welt, nicht die ständige Angst, die ihm im
Nacken saß, nicht die stundenlangen Wanderungen im Nebel, nicht einmal die
Gespräche mit Svija. Und erst recht nicht die Erinnerungen an letzte Nacht. An
Mortis, wie er am Baum lehnte.
    Die Mühle schien enger geworden zu sein,
die Welt hinter den Fenstern ein kleines Stückchen dunkler.
    Toiva stand auf und zwängte sich am Tisch
vorbei. „Ich muss mit dir reden, Sala.“ Ihre Stimme klang vertraulich, man
hörte ihr an, dass ihr die Sache wichtig war.
    Rasch ging Svija zur Seite, als die Königin
die Tür aufstieß.
    „Warum müsst ihr das draußen tun?“, rief
Svija ihr hinterher.
    Toiva sah sich nicht um. „Weil du nicht
alles wissen musst.“ Erst als Sala ihr mantelzuknöpfend hinterherkam, schaute
sich Toiva zu dem Mädchen um. „Und glaub mir, Svija, über die Sache, um die es
hier geht, muss sich ein Mädchen wie du sich nicht ihren hübschen Kopf
zerbrechen.“
                                                  
    Als die Tür zufiel, sackte Svija in sich
zusammen. „Ich gehe“, presste sie hervor, sie ging von der Tür zum Tisch und
wieder zurück.
    Sie plumpste auf den Stuhl, auf dem zuvor
noch Toiva gesessen hatte. Tränenerstickt klang ihre Stimme, aber auch trotzig,
ein kleiner Rest, der sich gegen ihre Gefühle wehren wollte.
    „Erst ein Tag bin ich in dieser neuen Welt
und schon habe ich genug. Ist das nicht schrecklich?“ Sie ballte die Hand und
biss sich in die Fingerknöchel. „Sie hat mich gezwungen, weißt du? Sie drohte
mir, sie würde im Sommerwald Feuer legen, wenn ich nicht mit ihr ginge.“ Sie
sah zu Linus herüber. „Sie kann mich doch nicht zwingen, nicht einfach so!“ Mit
den Tränen in den Augen, wirkte das Mädchen mit den roten Haaren ganz anders.
„Ich wollte noch nie eine Mondschwinge sein und erst recht keine Spionin. Wenn
ich einmal geflogen bin, dann nur weil mich die anderen Kinder darum gebeten
haben – damit ich Pflumbeeren und Krautäpfel pflücke …“ Sie furchte die Stirn
und strich unruhig mit der freien Hand über den Tisch. „Es war ein Fehler,
glaube ich. Einer von Toivas Spione hat mich entdeckt, irgendwie mussten sie
mir ja schließlich auf die Schliche kommen. Sie sind überall und doch sagt sie,
dass es zu wenige sind. Pah, zu wenige! Wie viele werden es erst sein, wenn
neue Schützlinge dazu kommen? Ich will nicht ... verdammt, ich will nicht eine
dieser Ratten sein!“ Sie schrie beinahe, so laut sprach sie.
    Sie sah zu Linus auf und wischte sich rasch
eine Träne vom Gesicht. „Jetzt glaubst du sicherlich, dass ich schwach bin,
oder? Dass ich fürchterlich sentimental bin, wie all die anderen Mädchen.“
    Linus sagte nichts, griff nur nach ihrer
Hand. Als er es bemerkte, war es schon zu spät, sie zurückzuziehen. „Vielleicht
haben wir tatsächlich keine andere Wahl, vielleicht ist es so etwas wie vorbestimmt,
dass wir Spione werden. Geh nicht, noch nicht!“
    Er hörte sich wie einer dieser weisen
Männer aus Mortis’ Geschichten an, die in schlimmen Zeiten von schlimmen Dingen
redeten, bevor sich alles zum Guten wendete.
    „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Svija
sah zu Boden und ihre Lider flackerten, wie das Licht der schrumpfenden Kerzen
auf dem Tisch.
    „Wir warten noch ein bisschen – und
vielleicht sehen wir bald, dass es sich gelohnt hat in dieser neuen Welt zu
bleiben.“ Er war selbst nicht überzeugt von seinen Worten, er sagte es
vielmehr, um irgendwas zu sagen. „Wir schaffen das, wir schaffen das ganz
bestimmt.“
    Wir sind nun Verschworene, dachte er,
Verbündete, mit einem gemeinsamen Schicksal, mit dem gleichen Weg.
    Keine Regung war in Svijas Miene zu
entdecken, starr saß sie vor ihm, als sie langsam anfing zu lächeln. „Ja“,
wisperte sie „lass es uns probieren.“

 
 
 
 
 

 
    TOIVA
    und die dunkle Zukunft

 
 
    Toiva blieb stehen und schaute zurück. Die
Lichter hinter den Fenstern waren klein.
    „Was wollt Ihr mir sagen?“ Sala strich sich
die Locken aus dem Gesicht, pustete

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