Mondschwingen (German Edition)
und das wirst du auch
niemals tun – weil ich eine Königin bin und du nur ein Mädchen.“ Es waren
deutliche Worte, die sie gesprochen hatte, und während sie so dastand und auf
irgendeine Antwort wartete, verschwand die Wut in ihrer Miene.
Svija nickte. Sie sagte nicht
Entschuldigung, sie sagte gar nichts, aber sie nickte.
„Lass uns weitergehen“, raunte die
Mondschwingenkönigin und beinahe sanft zog sie ihren Schützling an der Hand
zurück.
„Wir müssen da lang“, sagte sie, zeigte
nach vorn und lief gemeinsam mit ihren Schützlingen weiter. Svija schaute zu Linus
zurück. Eine Strähne fiel ihr ins Gesicht, fast entschuldigend sah sie zu ihm
hinüber.
Als es dunkler wurde und sie alle längst
nicht mehr Kraft zum Weiterlaufen hatten, hörten sie fernes Geklapper und noch bevor sie die Mühle hinter den Tannen entdeckten, wussten
sie, dass sie ihr Ziel endlich erreicht hatten.
„Es ist eine Ehre für mich!“ Die Spionin
verbeugte sich und bat die drei Mondschwingen hereinzukommen.
„Wir danken dir für deine Gastfreundschaft,
Sala.“ Toiva ließ sich auf einen klapprigen Holzstuhl fallen und legte die
Stiefel auf den Tisch. „Gibt es irgendwelche Nachrichten?“
Die Spionin schüttelte den Kopf. „In den letzten
Wochen passiert nicht viel, die Menschen rüsten sich gegen den Winter, der
überraschend früh zugeschlagen hat.“
„Sonst nichts?“ Toiva wirkte beinahe
enttäuscht. „Keiner, der auffällt, keiner der auf Elsternjagd geht, keiner, den
man hinter Schloss und Riegel sperren kann?“
Die hagere Frau schüttelte den Kopf, ihre
Locken hüpften auf und ab. „Ich schaue mich jeden Tag um, aber der Winter
beschäftigt sie viel zu sehr, als dass sie an ihre Feinde denken. Vor zwei
Tagen wurde in einem der Häuser eingebrochen, aber selbst das mischt die
Menschen hier nicht auf. Der Winter kam viel zu heftig dieses Jahr.“
Svija, die sich im Türrahmen anlehnte,
schnaubte verächtlich. „Ich dachte, man benötigt unbedingt neue Spione. Wie ich
sehe, braucht man nicht mal alte.“
Toiva haute auf den Tisch und schaute sich
um. „Mit deiner schlechten Laune verpestest du die Luft! Diese Mühle ist nicht
Malvö, diese Menschen sind noch lang nicht alle. Es gibt mehr als genügend
Orte, in denen man mehr Spione braucht. Mondschwingen werden entführt, manche
tauchen gar nicht mehr auf, Menschen hecken irgendwelche Pläne aus, große
Pläne, das weiß ich. Und überall können sie beginnen. Deswegen ist es wichtig,
Leute wie Sala zu haben.“
„Sie hat Recht.“ Sala verschränkte die Arme
vor der Brust und musterte das sommersprossige Mädchen mit der Finsternis im
Blick. „Du bist wichtig, weißt du? Niemand will das so recht glauben, jeder hat
Angst den entscheidenden Schritt zu tun und sich auf der Fliegenden Burg zu
einem Spion ausbilden zu lassen. Aber wenn wir jetzt nichts mehr tun, dann
werden unsere Feinde siegen. Unsere frühere Stärke wäre umsonst gewesen, wenn
wir jetzt aufgeben.“
Sie schwieg einen kurzen Moment und in der
Stille vernahm man nur das Rattern und Knacken der Wassermühle. „Weißt du, auch
ich habe mich damals gefürchtet.“ Sie lehnte sich vor, als wolle sie mit Svija
reden und mit niemandem sonst. „Doch als ich dann Spionin war, wusste ich, dass
es sich gelohnt hat. Ich rettete vielen Mondschwingen das Leben, ich befreite
Kinder und rächte zahllose Tode. Das tat gut, das kannst du mir glauben. Auf
einmal war es, als könnte ich etwas verändern und Malvö ein kleines bisschen
heller machen.“
„Und?“, fragte Svija. „Habt Ihr Malvö
heller gemacht?“
„Natürlich
hat sie das.“ Toiva zog die Stiefel vom Tisch und sah sich zu dem Mädchen um.
„Du raubst mir den Verstand, mit deinem Missmut. Mit deiner Art, alles in Frage
zu stellen.“
Linus stand nur da und sah immer wieder von
Toiva zu Svija, die nun wiederum unsicher dreinschaute. Es war ein Hin- und Her
zwischen ihnen, ein unablässiges Spiel, aus dem vermutlich nie ein Sieger
hervorgehen würde.
„Es tut mir lei.“, sagte Svija, ganz leise.
Die Mondschwingenkönigin schnitt eine Grimasse, ob es Hohn oder Spott oder
tatsächlich so etwas wie Freude war, das erkannte man nicht.
Svija setzte erneut zum Sprechen an. Sie
rang mit sich, eine ganze Weile stand sie nur da und schien zu überlegen ob sie
wirklich sagen sollte, was sie sagen wollte. Schließlich blieb sie still.
„Es
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