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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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aufeinanderprallen würden, wäre in etwa gleich groß.
Hoffte sie.
    Sala zog die Augenbrauen in die Höhe.
„Warum tut Ihr das? Warum führt Ihr nach all den Jahren wieder Krieg? Einar hat
es nicht getan, sein Vorgänger Ismael nicht, es ist über fünfzig Jahre her,
dass die letzte Schlacht gefochten wurde.“ Sie machte eine Pause, bevor sie
sich näher heranschob und flüsterte: „Ist es etwa vorbei mit uns? Werden wir
nie wieder so groß und stark sein wie jetzt?“
    Toiva winkte sofort ab, obwohl ihr die
Eindringlichkeit von Salas Blick eine Gänsehaut über den Rücken trieb. „Du
hörst dich wie eine abergläubische, alte Frau an, Sala. Woher sollte ich schon
wissen, dass es mit uns zu Ende geht? Die Zeichen deuten darauf hin, ja, aber
wissen tu ich es nicht. Genauso wie du es nicht tust. Niemand weiß es, niemand.
Und solange wir nicht wissen, müssen wir handeln, als ob es unsere letzte
Gelegenheit ist.“
    Sie log nicht und trotzdem war es nicht die
ganze Wahrheit, die sie da sagte. Sie tat es auch für sich, um ihretwillen, sie
tat es um ihre eigene Unsicherheit zu zerschlagen, die sie schon lange störte.
Einar hatte sie früher immer gefragt, ob er ein guter König sei, er hatte auf
eine ehrliche Antwort bestanden und die hatte Toiva ihm Mal für Mal gegeben.
Ja, hatte sie gesagt, das bist du, Einar. Und nun war sie es, die sich nicht
sicher war. Blasse Gesichter flackerten in ihrer Erinnerung auf, Menschen
erschienen, denen Toiva allen das Leben genommen hatte, sie dachte an ihr
eigenes Volk, das sie kaum bejubelte, das sie nicht verehrte, wie es sonst
jeden verehrt hatte. Vielleicht lag es nur an ihrem Auftreten, an ihrem
Aussehen, an ihrer Person. Vielleicht aber auch an ihrem Handeln.
    Sie wollte sich überhaupt nicht nach den
Meinungen anderer richten, sie war sie, niemanden hatte es zu interessieren, ob
sie Fehler machte oder nicht. Aber den Selbstzweifel gab es dennoch. Sie
scheuchte ihn meistens davon, da sie Regungen wie diese nicht kannte, aber je
öfter sie durch die Gassen der Fliegenden Burg lief und die Mienen hinter den
Fenster sah, desto größer wurde ihre Unsicherheit. Und desto größer wurde auch
der Wunsch zu beweisen, dass sie eine gute Königin war. Es war vielmehr Wut als
echter Zweifel. Wut über ihre Feinde und ihr Volk, über ihre Spione, die allzu
oft respektlos waren, und letztlich auch über sich selbst, weil sie nicht sein
konnte, wie andere.
    Ein Tränensänger weinte herzzereißend in
einer der Baumkronen. Schatten huschten im Unterholz, Pfoten scharten
ungeduldig im Schnee.
    Ganz langsam kroch ein Krallwüter aus dem
Walddickicht hervor. Als er den Kopf nach links und rechts bewegte, sah man
sein Geweih zwischen den Ohren und seine Stoßzähne im geöffneten Mund.
    Sala stupste Toiva an, als müsse man sie
erst noch auf das Untier aufmerksam machen, das im Schnee nach Spuren suchte.
    „Es ist ein kleiner Wüter“, behauptete
Toiva, obwohl sie sich gar nicht so sicher war. „Der frisst noch keine
Elstern.“
    „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Sala
achtete darauf, keine Geräusche zu machen, vergaß dabei jedoch den Mund zu
halten. „Wie ich diese Biester hasse! Die sind nicht nur dumm und hässlich,
sondern fett noch dazu.“
    Der Krallwüter ahnte nicht, dass er soeben
beleidigt wurde, sein Blick huschte aber kurz zu ihnen, während er sich
weiterschob und schließlich in den Schatten verschwand.
    „Es heißt, es bringt Unglück einen Wüter
bei Vollmond zu sehen“, meinte Sala und lachte leise. „Die Wahrscheinlichkeit
ist hoch, dass einer der vier Monde voll ist.“
    Toiva schaute hinauf. „Dann sind wir wohl
gerade dem Unglück begegnet. Ich hoffe, es ist kein böses Omen, was?“
    „Wann ist es so weit?“, wollte Sala noch
wissen, als sie schon zur Wassermühle gingen.
    „Im Sommer, denke ich. Der Winter ist
dieses Jahr für eine Schiffsüberfahrt zu kalt.“ Sie wollte noch einen Scherz
hinzufügen, als sie plötzlich eine Stimme in der Mühle hörte. Eine Stimme, das
wusste sie, die sie erst gestern gehört hatte.

 
     

 
 
    RUBENS
    und das Vogelherz

 
 
    Rubens schloss die Türe hinter sich und
lächelte. „Entschuldigt mich für die Störung, aber ich konnte nicht anders.“
    Der Junge mit dem toten Vater und das
rothaarige Mädchen saßen am Tisch und sahen zu ihm herüber. Die dicke Frau mit
dem grünen Mantel war nirgendwo zu sehen.
    „Bevor ihr mir an die Gurgel geht: ich will
euch nichts tun. Genau genommen bin ich wegen

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