Mondschwingen (German Edition)
war überrascht und aufgebracht. „Andererseits
… wie dumm sie doch sind, unsere Feinde!“ Er schlug die Faust in die Handfläche
und lachte schallend.
Verbold lachte nicht. „Alles andere als
das, befürchte ich. Die Verräter haben die Schlüssel geklaut, man kommt nicht
hinein und hinaus. Man kann die Gitter nicht verbiegen und den Stein nicht
zerstören. Sie sitzt fest dort drinnen, in unserer eigenen Burg und wir können
nichts dagegen tun. Desweiteren wurden die übrigen drei Gefangenen
Mondschwingen, die ihr vor längerer Zeit bei einer Jagd geschnappt hattet,
freigelassen.“
Kastja erstarrte, der Mund war noch
aufgerissen, er sah fast lächerlich aus, so wie er da stand.
„Was soll das heißen?“, murmelte er, obwohl
Verbold es schon erklärt hatte.
Rubens war mehr und mehr von Thijs
überrascht. Konnte der Junge zaubern? Wie hatte er es geschafft, Gwaedja hinter
Schloss und Riegel zu bringen, ohne dass überhaupt irgendjemand ihn dabei
erwischt hatte? Wenn er und seine Anhänger wirklich so machtvoll waren, wie
Rubens es momentan erschien … dann mussten sie sich ernsthaft vor ihren Feinden
fürchten, wer auch immer sie waren.
„Was ist Eure zweite Botschaft?“ Kastjas
Stimme war rau und brüchig, plötzlich wirkte er niedergeschlagen und furchtbar
müde.
„Ich habe unsere lieben Mondschwingen
beobachtet. Sie sind kurz davor, mit ihren Schiffen aufzubrechen – in den Krieg aufzubrechen. Vielleicht haben sie
irgendwoher erfahren, dass Liv am Mondverschwinden schuld ist, vielleicht auch
nicht – auf jeden Fall segeln sie ihr entgegen, um zu kämpfen, das steht außer
Frage.“
Kastja ließ sich nichts anmerken. „Wir
hätten vorgestern Nacht einige Krieger am Ufer positionieren müssen. Wir waren
nachlässig, das muss ich zugeben.“
„Was habt Ihr vor?“ Verbold war neugierig,
ein bisschen zu neugierig, dafür, dass er nur ein Spion war.
„Ihnen folgen. Sie einholen. Gegen sie
kämpfen, noch bevor sie Skopenvang erreichen. Wir werden Liv die Ratten vom
Leib halten, mit aller Kraft. Noch heute, in ein paar Stunden, wenn es geht.
Sie sind noch nicht aufgebrochen, sagtet Ihr?“
Verbold zuckte mit den Schultern.
„Inzwischen könnte es der Fall sein. Jede Stunde, die verstreicht und wir ihnen
nicht folgen, könnte eine Stunde zu viel sein. Der Weg nach Skopenvang ist
nicht besonders weit, die Möglichkeit sie einzuholen, nicht besonders groß.“
Kastja sah ihn unbeeindruckt an. „Na und?
Wir werden es schaffen, das wisst Ihr doch.“ Er klang beinahe bedrohlich.
Verbold senkte den Blick. „Verzeiht.“
„Bevor ich den Männern einen Befehl gebe,
muss ich noch darüber nachdenken. Und währenddessen ich das tue, besuche ich
die gefangene Frau im Kerker, falls das möglich ist.“
Der Spion bewegte schnell den Kopf. „Für
Euch bestimmt.“
Grußlos platzte Kastja aus dem
Spionenversteck heraus und lief zurück zum Mittelpunkt der Burg. Rubens folgte
ihm wortlos.
„Mein eigener Sohn“, keifte der Jägerkönig
„sperrt meine Frau und seine Mutter in die Kerker! Welch Kreatur von Sohn!“
Zuerst wollte Rubens gar nichts sagen, dann
aber konnte er die Worte, die ihm die Kehle empor kamen, nicht mehr
herunterschlucken. „Weißt du nicht, warum er es getan hat? Weil er dich hasst
und das zurecht . Du warst kein guter Vater für ihn, in
Wahrheit warst du gar kein Vater. Sein größter Feind, könnte man meinen.“ Ihm
fiel es nicht leicht so daherzureden, aber es tat gut – ein Mal das zu sagen, was
er wirklich dachte. Wie sich die Wahrheit auf der Zunge anfühlte …
Sie stiegen die geschwungenen Treppen
hinab, die hinunter in die Kerker führten, Kastja sah Rubens nicht an, aber
sein Kopf wurde nur noch röter.
„Du hast nie mit ihm gesprochen, nie, seitdem
er es nicht übers Herz brachte eine Mondschwinge anzuspucken. Ist das nicht
sehr herzlos für einen Vater? Vielleicht hast du dir einen anderen Sohn
gewünscht, wer weiß, aber Thijs sicherlich auch einen anderen Vater.“ Rubens
redete sich in Rage und er genoss es, er schwelgte dahin in der Wahrheit, der
bittersüßen Wahrheit. „War es nicht absehbar, dass er sich irgendwann rächen
wollte? Für das schwarze Loch, das du in ihm hinterlassen hast?“
„Nun hör doch auf.“ Kastja redete nicht
laut, seine Worte echoten im langen Gang, der zur stacheligen Kerkertüre
führte. „Man kann nicht immer perfekt sein.“
Der dickbäuchige Kerkermeister stand am
Ende des fackelerleuchteten Ganges, er saß auf einem
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