Mondschwingen (German Edition)
Hocker und streichelte die
Katze auf seinem Schoß. Man munkelte, der Meister sei verrückt, er habe sich
verloren in den Katzenaugen, denn überall an den Kerkerwänden hingen bunte
Porträts seines gestreiften Lieblings Anna-Katharina. Sie wedelte mit dem
Schwanz und schnurrte.
„Da seid Ihr ja, welch wunderbare Ehre!“ Er
setzte die Katze auf den Boden und sprang auf.
„Wie konnte das passieren? Dass die
Schlüssel geklaut wurden?“ Kastja kam laut heran, er wollte so böse wie möglich
aussehen.
Anna Katharina machte einen Buckel und
fauchte.
„Nun … die Schlüssel hängen unten an einem
Nagel und die Kerkertür ist immer angelehnt, wenn ich hier sitze. Als ich
meinen Rundgang gemacht habe, waren alle Schlüssel verschwunden. Und diese
Frau, diese weißhaarige Frau, saß hinter den Gittern.“
Kastja öffnete die Tür und schaute die steile
Treppe hinunter.
„Habt Ihr geschlafen?“, brummte Kastja.
Der Kerkermeister schaute empört auf und
fasste instinktiv nach seiner Katze. Er wollte schon laut widersprechen, als er
Kastjas Hand an seinem Schwertgriff entdeckte. „Ja, ja um Himmels willen, ich
habe geschlafen, ein kleines bisschen!“
Der Kopf des Meisters rollte über den
dreckigen Steinboden. Anna-Katharina huschte in die Schatten davon.
„War das nötig?“
Kastja fuhr herum und blinzelte. „Ja, das
war es. Wegen ihm wird Gwaedja sterben.“
Er lief die Treppe hinab, das blutige
Schwert in seiner Hand. „Komm mit und lerne meine Frau kennen“, bat oder befahl
er, ohne sich einmal umzudrehen.
Die weiße Frau kauerte in der hintersten
Zelle, sie umklammerte ihre Knie, sie schaukelte vor und zurück und beobachtete
stumm die zwei Männer, die von den Gitterstäben zerstückelt wurden. Ihre weißen
Haare ließen ihr Gesicht nur noch blasser aussehen.
„In fünf Tagen werde ich sterben“, sagte
sie schließlich. Rubens bedauerte die Frau, sie gehörte nicht hierher und erst
recht nicht zu Kastja.
„Es tut mir leid.“ Kastja schluckte. „Nein
wirklich, es tut mir leid. Ich hätte dich retten müssen. Stattdessen muss ich
dich hinrichten, in fünf Tagen.“
Gwaedja zog die Knie noch ein wenig fester
an sich heran. „Ich habe zum ersten Mal seit langem wieder Svija gesehen.
Unsere Tochter, Kastja, sie ist groß geworden, sie ist hübsch und tapfer ist
sie auch.“
„Du hättest sie nicht besuchen dürfen. Ich
hab es dir verboten.“ Kastja klang unerwartet schroff. „Genauso wenig, wie du
die Aufsässigen hättest anführen dürfen! Welch Närrin du doch bist.“
Gwaedja kicherte, sie vergrub das Gesicht
in den Händen, ihr schmaler Körper wackelte.
„Soll ich mich entschuldigen?“, platzte es
aus ihr heraus, sie senkte die Hände und hörte auf zu kichern.
„Du wirst überleben, das weiß ich!“ Kastja
rückte näher ans Gitter heran.
Gwaedja richtete sich auf und kam ihm
entgegen. „Du müsstest es besser wissen, Kastja. Ich werde nicht überleben. Du
hast Thijs gehört und gesehen. Nun weißt du, was du angerichtet hast. Er
verabscheut dich so sehr, dass er alles tun würde, um dir Schmerzen zu bereiten
und dabei merkt er gar nicht, dass er auf dem besten Wege ist, sich in dich zu
verwandeln. Zu einem rachsüchtigen, blutrünstigen Tyrannen.“ Sie streckte ihre
Hand aus und umfasste die von Kastja. „Siehst du, wie nah die Freiheit ist? Ich
kann mich danach strecken, ich kann sie fühlen, aber trotzdem bin ich
machtlos.“
„Wie haben sie dich hierher gebracht? Wie
konnte niemand euch sehen?“ Kastjas linke Hand tastete sich zu ihrer Wange und
blieb dort haften, ihre Haut war ganz kalt.
„Ich weiß nicht. Sie haben mir die Augen
verbunden, sie haben mir irgendwas in die Ohren gestopft, ich konnte nichts
hören, sie haben mich die meiste Zeit getragen und plötzlich lag ich hier und
wusste nicht, wo ich bin. Erst als der Kerkermeister auftauchte, verstand ich
Thijs‘ perfiden Humor.“ Sie stockte. „Du hast den Kerkermeister doch nicht
bestraft?!“ Kastjas Schwert steckte mittlerweile wieder in der Scheide, doch
eigentlich kannte sie schon die Wahrheit, denn sie kannte Kastja. „Wissen deine
Männer nun die Wahrheit? Wissen sie von mir?“
Kastja hustete, das tat er meistens, wenn
er sich nicht wohlfühlte. „Ich weiß nicht. Ich hoffe nicht.“
Gwaedja lächelte. „Was sind wir nur für
Eltern! Weißt du, vielleicht habe ich den Tod verdient und du die Hinrichtung.
Ich denke, es gehört uns nicht anders, früher oder später mussten wir
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