Mondschwingen (German Edition)
dem
Platz der Gebrochenen Flügel töten. Weil du bist, wie du bist.“ Gwaedja sah mit
ausdrucksloser Miene zurück. „Der Krieg, Vater, der Krieg hat begonnen.“
Der Kreis löste sich langsam auf, behutsam
liefen die Weißen davon, manche Pfeile waren immer noch auf ihre Feinde
gerichtet.
Mit wehendem Mantel folgte Thjis den weißen
Gestalten. Überall glitzerten die eisernen Masken im schrägeinfallenden Licht,
wie Sterne blitzten sie auf, als warteten sie hier unten, um bei Nacht wieder
aufzusteigen.
Kastja fasste sich unendlich langsam ans
Kinn. Blut tropfte hinab und landete im Schnee.
TOIVA
und der
Beginn der Reise
Toiva schloss die Augen. „Es ist zu
gefährlich.“
Linus malträtierte sie schon den ganzen
Abend mit seinen lästigen Fragen. Wenn sie nicht aufpasste, bekam sie noch
Kopfweh.
„Das ist es doch für alle. Auch für mich.
Warum lässt du mich dann nicht gehen?“
Toiva seufzte. „Weil du noch nicht einmal
ein Spion im Anfangsstadium bist. Im Grunde genommen … bist du nichts, ohne
dass das böse klingen soll. Du könntest uns nicht im Geringsten helfen, du
wärst nur eine Last.“ Sie steckte sich eine Traube in den Mund und klemmte sie
zwischen Backe und Zahn. „Ich weiß, warum du nach Skopenvang willst. Es liegt
an deinem Vater, nicht? Der dir gesagt hat, dass du auf die Menscheninsel
sollst. Weshalb auch immer. Ich verstehe dich, sehr sogar, aber ich denke, ich
denke, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen ist. Du bist nicht stark genug,
auch nicht sehr erfahren und dein Mut – nun, dein Mut wird sicherlich nur
zwischen vier Wänden und einem Dach über dem Kopf ein bisschen groß erscheinen.
Warte noch ein bisschen ab, du wirst mich verstehen, wenn du endlich gut genug
bist. Skopenvang wird nach dem Krieg nicht versinken.“ Sie grinste breit.
„Sicher sein kann man aber nie.“
Linus hätte die Königin am liebsten
geschüttelt.
„Ich muss nach Skopenvang.“ Linus stand auf
der Türschwelle des königlichen Gemachs und schaute zu Toiva, die am Fenster
verweilte. Er war freiwillig hierher gekommen, um die Königin zu bitten, sie
begleiten zu dürfen.
„Das habe ich begriffen, glaub mir. Aber du
bist noch nicht so weit. Wir werden kämpfen, Linus, töten , was sich so leicht anhört, wenn man es so sagt, aber es
tatsächlich tun … ist etwas ganz anderes. Und wenn du schon eines meiner
Schiffe betrittst, sollst du auch nützlich sein und dich nicht vorm Krieg
verstecken.“
Linus war wütend, das sah Toiva ihm an. „Ich
werde üben auf dem Schiff, ich werde das Kriegshandwerk erlernen!“
„Innerhalb weniger Tage.“ Toiva kicherte.
„Wir brauchen nicht sonderlich lang bis Skopenvang, du wirst nie und nimmer gut
genug sein, wenn wir angekommen sind.“ Sie warf eine Traube in die Luft,
öffnete den Mund und verfehlte das Ziel.
„Es geht mir doch auch nicht ums Kämpfen,
mir geht …“
„Um die Worte deines Vater, jaja. Wie
rührend, ich weiß, aber wir riskieren nicht unser Leben, um einem kleinen
Jungen einen Traum zu erfüllen.“ Toiva hob die Traube vom Boden auf und steckte
sich in den Mund. „Du musst nicht weiter mit mir darüber reden. Du bleibst hier
und wirst ein Spion. Was du dann machst … ist mir egal, mehr oder weniger. Du
wirst mir danken, wenn du erfahren genug bist.“
Es fiel der Königin nicht leicht, den
Jungen so in die Schranken zu weisen, aber sie hatte auf See schon genug
Sorgen, dann wollte sie sich nicht auch noch um ihn kümmern. Er sollte endlich
gehen und sie nicht so ansehen! Sonst kam sie sich wieder wie eine schlechte
Königin vor.
„Es tut mir leid, Linus“, sagte sie ein
bisschen sanfter. „Aber wenn wir etwas passieren würde, könnte ich mir das
niemals verzeihen.“ Das war nun die schmalzige Version, aber sie klang besser,
fand sie.
Linus schürzte die Lippen. „Lange will ich
nicht mehr warten.“ Dann drehte er ihr den Rücken zu und huschte lautlos aus
dem Speisesaal.
Gute
Entscheidung, es war eine gute Entscheidung , redete sich Toiva ein und schluckte fünf Trauben auf einmal.
Die Türe öffnete sich ein weiteres Mal, ein
Bote räusperte sich und klopfte sich auf die Brust. „Der Marsch zu den Schiffen
beginnt. Die Leute warten schon.“
Toiva stöhnte. „Wenn‘ s sein muss.“ Sie
stellte den Traubenteller zurück auf den Nachttisch und rauschte am
verunsicherten Bote vorbei. „Sie warten doch hoffentlich vor dem
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