Mondschwingen (German Edition)
„In
diesem Punkt werden wir uns wohl nie verstehen, Kastja. Manchmal hasse ich dich“,
zischte sie, sie bewegte sich nicht, als sie das sagte.
Kastja trat näher an die Gitterstäbe heran.
„Ich würde dich so gerne hassen, Gwaedja, doch kann ich es bis heute nicht.“
Langsam fiel die blutbefleckte Maske von ihm ab, ließ den verständnisvollen
Kastja dahinter hervorschauen.
Noch immer rührte sich Gwaedja nicht, selbst
ihr weißes Haar schien erstarrt zu sein.
„Ich
werde da bleiben und für dich kämpfen. Wenn ich es nicht täte, wären wir alle
verloren.“ Er drehte sich um und stieg die Treppe hinauf, Rubens stand eine
Weile lang da, wusste selbst nicht so recht, warum und auf wen er wartete.
Vielleicht war es das kleine bisschen Wut, das nicht verschwinden wollte, doch
schließlich wandte er sich um und folgte Rubens. So, wie er es immer getan
hatte.
Kastja hatte seine feurige Rede beendet,
die Jäger klatschten in die Hände, riefen und schrien laut und stampften mit
den Füßen auf den Boden. Der Saal bebte unter dem vorfreudigen Ansturm. Nach
der bösen Überraschung heute Morgen wollten sie wieder auf die Seite der Jäger
wechseln und ihre Opfer leiden sehen. Und nun wartete die größte Jagd seit
langem. Tausende Mondschwingen, auf wenigen Schiffen verteilt und alle nur für
sie.
„Bevor ihr euch aufmacht, darf ich eines
nicht vergessen. Eine Überraschung .“
Kastja winkte einen schlaksigen Mann hinauf, er hatte eine Halbglatze und
verbeugte sich unter tosendem Applaus. „Dies ist Nigs. Nachdem er einige Jahre
als Spion im tiefen Osten gearbeitet hat, ist er wieder zurückgekehrt. Und mit
einer Gabe, die ihr alle kennt. Auf seinem Weg ist ihm nämlich einer von Livs
letzten Magiern über den Weg gelaufen. Und da er noch ein bisschen Geld in
seinem Beutel bei sich trug, verpasste ihm der Zauberer das Talent der
Geisterrufer.“ Der Applaus wurde ohrenbetäubend, manche jubelten einfach nur
mit, obwohl sie gar nicht zuhörten. „Es gab schon lange keine Geisterrufer
mehr, da es schon lange keine Magier mehr gegeben hatte. Und nun ist ein neuer
zurückgekehrt – Nigs, der Unbesiegbare, der Beste von Allen.“ Der besagte Nigs
strahlte wie ein satter Haifisch, konnte mit dem Verbeugen kaum mehr aufhören.
„Und er wird euch begleiten – der Sieg ist
euch gewiss. Wer die Geister auf seiner Seite hat, kann nie mehr verlieren! Die
Gegner sterben, aber unsere Krieger nicht.“
Kastja
trat vom Podium und lief durch die Menge. Rubens eilte ihm entgeegen und zog
ihn zur Seite. „Stimmt das? Ist er wirklich ein Geisterrufer?“
Kastja
klopfte Nigs auf die Schulter. „Natürlich ist er das. Ich habe einer von Nigs‘
heraufbeschworenen Geister gesehen. Unglaublich, wirklich unglaublich.“
„Wenn das wahr ist, dann kannst du ihn besser gebrauchen als ich. Solltest du
wirklich gegen Thijs und die anderen Maskierten kämpfen, geht es um unsere
Existenz, um Alles, was uns etwas bedeutet. Nimm du ihn, ich brauch ihn nicht.“
Er musste Kastja nur ansehen und er kannte
schon die Antwort.
Zusammen gingen sie mit dem Strom auf den
Hauptplatz nach draußen, die meisten trugen noch ihre Mäntel und Rüstungen von
vorhin, andere stürzten sich die Treppen hinauf, um sich ihre eigenes
Blechkostüm eilig anzulegen.
Inmitten der unruhigen Menge stand die
schwarze Stute, die Kastja Rubens lieh, obwohl er immer wieder beteuert hatte,
dass er sie nicht brauchte. Kastja hatte ihm nicht zugehört und nur gemeint,
dass er als Anführer über seinen Kriegern und Jägern stehen sollte.
„Der
Stalljunge wird es wieder zurückbringen“, murmelte er und fuhr mit den Fingern
nachdenklich über die rabenschwarze Mähne. „Wie gerne ich nun an der Spitze
reiten würde. In den Krieg, den größten Krieg seit langem.“
Krieg ... es war kein Krieg, den sie führen würden, keine Schlacht und
kein Kampf. Es war eine Jagd, eine ungerechte, blutrünstige Jagd.
„Gwaedja weiß es zu schätzen, dass du hier
bleibst“, entgegnete Rubens, er fingerte an den Gurten des Sattels herum und
zog ihn ein wenig fester. Er tat es, um irgendetwas zu tun.
„Ich will nicht darüber sprechen. Nicht
hier.“ Kastja hörte sich harsch an. „Du wirst ein guter Anführer sein.“
Das war er vielleicht. Der Abschied für
immer.
Rubens wusste es nicht, noch nicht. Und
doch ahnte er, dass die mehrtägige Jagd ihm die Chance gab, Kastja den
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