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Mondschwingen (German Edition)

Mondschwingen (German Edition)

Titel: Mondschwingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Sand
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bestraft
werden. Ich habe viel gehofft im Leben, darauf, dass du dich von deinem Bund lösen würdest, Kastja, darauf, dass ich meine Kinder sehen
dürfte, darauf, endlich in einem friedlichen Land zu leben. Nie habe ich die
Hoffnung losgelassen, wie eine Ertrinkende, die sich an eine Hand festklammert.
Nun aber, nun bin ich sicher, dass es nichts mehr zu hoffen gibt.“
    Sie zog ihre Hand zurück. Ganz langsam nur
und schaute Kastja dabei fest in die Augen.
    „Nichts ist entschieden. Überhaupt nichts“,
entgegnete der König, er klang wie ein Kind.
    „Warum bist du hier unten? Warum bist du
nicht bei deinen Männern und tust so, als ob ich dir egal wäre?“
    „Sie wissen nicht, dass ich hier unten
bin.“
    Gwaedja nickte schmunzelnd. „Aber
natürlich.“
    „Und außerdem kann ich in Kerkern sehr gut
nachdenken.“ Er drehte sich zu Rubens herum. „Ich habe mich entschieden. Du
jagst mit dem größten Teil unserer Krieger die segelnden Mondschwingen, während
ich mit ein paar anderen auf die Hinrichtung warte und auf Krieg, so wie es die
Maskierten behaupteten. Es werden sicher nicht sehr viele sein …“ Kastja
hustete ein weiteres Mal, viel stärker jetzt, sein Körper zitterte. „Wir werden
hinaufgehen und ihnen den Auftrag geben und dann gehst du mit ihnen los,
sofort. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“
    Rubens
stand nur da und staunte. „ Ich soll
sie anführen.“
    „Natürlich,
wer denn sonst, wenn nicht ich. Schließlich wirst du König sein, in wenigen
Jahren oder noch früher.“ Kastja grinste. „Es wird dir guttun, glaub mir.“
    „Ich
habe erwartet, dass du die Jäger
anführen wirst. Das hast du bisher immer getan.“
„Zeiten ändern sich. Ich bleibe hier und kämpfe um uns und um Gwaedja.
Allerdings bin ich mir sicher, dass der Krieg bei weitem nicht so groß
ausfallen wird, wie Thijs sich das vorstellt. Wir werden siegen, das kann ich
dir wohl versprechen.“
„Ich weiß nicht, ob ich es kann.“
    „Zu
siegen?“
    „Anzuführen.
Ich weiß auch nicht, ob ich es will, ob die Männer mich respektieren werden,
mir zuhören … ich weiß nicht, Kastja.“
    „Das
wusste ich damals auch nicht. Und heute bin ich König, obwohl ich keine
königliche Vorfahren hatte.“ Er packte Rubens an den Schultern und schüttelte
ihn sanft. „Mach dir keinen Kopf. Du schaffst das, genauso, wie ich das
geschafft habe.“
Das alles wollte Rubens gar nicht hören. Er wollte nicht anführen, er wollte
auch kein König werden, er wollte nur ein Verbündeter sein, mehr nicht. Ein
Verbündeter, der nicht an seinen Geheimnissen ersticken wollte.
    „Du wirst sie einholen, die diebischen
Elstern. Und sie bestrafen für ihre Dummheit.“ Kastja leckte sich über die
Lippen, ähnelte einem hungrigen Tier, das nicht mehr länger abwarten wollte. „Flehen
werden sie und weinen, vor dir knien und dich bitten sie zu verschonen. Doch du
wirst erbarmungslos sein. Keine einzige der Mondschwingen wird überleben, sang
und klanglos werden sie mit den Ratten und den Holzwürmern untergehen.“ Rubens
lehnte sich an die kalte Steinwand und schloss die Augen. All das wollte er
nicht mehr hören. Er wurde wütend, wenn Kastja so sprach, so gefühllos, so
unmenschlich, getrieben vom Blutdurst und dem Tod. So wollte er ihn nicht
hören, er erinnerte sich an seine Eltern, seine tote Eltern und an ihren
Mörder, den Armaufschlitzer. Die Erinnerungen kehrten sintflutartig zurück, die
alten Emotionen, der Wille nach Rache, die Wut über den unbekannten Mörder.
    „Dir
steht die größte Jagd seit langem bevor, Rubens. Hunderte, Tausende
Mondschwingen und alle nur für dich. Ist das nicht wunderbar?“
Die Wut wuchs in Rubens. Er fragte sich wie so oft, was er hier noch wollte,
warum er nicht einfach verschwand, warum er nicht wahrhaben konnte, dass er
tatsächlich eine Mondschwinge war und warum er Kastja nicht einfach hassen
konnte, nur hassen, mehr nicht.
    „Warum immer dieses Töten?“ Gwaedjas Stimme
war laut. Sie stand hinter Kastja, der jäh herumwirbelte und der weißen Frau
gegenüberstand. „Warum immer diese Vernichtung? Warum immer dieses Blut?“
      „Sie
sind unrein, Gwaedja!“, fauchte Kastja und wich von ihr fort. „Du hast es noch
nie verstanden, obwohl es doch so einfach ist. Sie müssen ausgerottet werden,
da sie schon viel zu lange mit uns in Malvö leben. Sie ernähren sich vom
Mondlicht, sie klauen und morden und fliegen über unsere Köpfe hinweg.“
    Gwaedja lächelte ein kaltes Lächeln.

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