MondSilberLicht
blickte auf meine Füße.
„Möchtest du nun reinkommen?“, fragte er noch einmal. Ich trat ein.
Das Haus war von innen fast beeindruckender als von außen. Wo andere Menschen normalerweise Tapeten oder Bilder an den Wänden hatten, gab es hier Bücherregale. Es roch wunderbar nach altem Papier und Leder.
„Wo hast du dich die ganze Woche versteckt?“, stellte ich die Frage, die mir am dringendsten schien, solange wir allein waren.
„Etwas Privates“, antwortete er kurz und trat in die Küche.
Dr. Erickson begrüßte mich und Sophie schob mich auf einen Sessel im Wohnzimmer. Auch hier gab es an jeder Wand ein Bücherregal. Außerdem stapelten sich Bücher über Bücher auf dem Fußboden. Noch nie hatte ich, außer in einer Bibliothek, so viele Bücher gesehen.
Der Tisch war mit feinem Porzellangeschirr gedeckt. Es gab kleine Sandwichs und selbstgebackene Scones.
„Calum, würdest du bitte den Tee einschenken?“, bat Sophie. Er nickte und goss Tee in die Tassen. Ein köstlicher Geruch stieg mir in die Nase. Calum beobachtete mich und lächelte; verlegen und erleichtert lächelte ich zurück. Offensichtlich hatte er beschlossen, nicht beleidigt oder böse zu sein. Das Wichtigste aber war, dass er allem Anschein nach vorhatte, den Nachmittag mit uns gemeinsam zu verbringen.
Also tranken wir Tee, aßen das Gebäck und unterhielten uns. Wir erzählten von der Schule und lachten über unsere Lehrer. Dr. Erickson berichtete von seinen Wanderungen über die Insel und bat mich, ihn einmal zu begleiten.
„Jetzt zeig uns endlich deine Zeichnungen“, forderte er mich auf. Die hatte ich fast vergessen, die Zeit war gerast und draußen begann es zu dämmern. Ich nahm meine Mappe und reichte ihm ein Bild nach dem anderen. Lange betrachtete er das Porträt meiner Mutter. Vorsichtig zeichnete er mit seinen Fingern die Linien ihres Gesichts nach.
„Sie war eine wunderschöne Frau“, sagte er andächtig. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Calum mich musterte.
Dann nahm er Dr. Erickson das Bild aus der Hand.
„Das ist schön“, sagte er ernst.
Auch die anderen Bilder wurden ausgiebig von den dreien begutachtet.
„Ich würde sie mir gern einrahmen lassen“, sagte ich, während ich die Bilder einpackte. „Wo kann man das machen lassen?“
„Oh, das können wir dir machen. Calum ist sehr geschickt in solchen Dingen.“
Ich sah Calum an. Ich hatte nichts dagegen, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
„Komm, ich zeige dir ein paar Rahmen“, sagte er. „Wir sammeln alle, die wir finden können.“
Sophie lächelte mir zu. „Ich werde Bree Bescheid sagen, dass du bei uns zu Abend isst und es später wird. Calum kann dich nachher nach Hause begleiten.“
Bei der Aussicht, später mit ihm allein zu sein, begann mein Herz aufgeregt zu pochen. Ich befürchtete, dass jeder im Raum das hören konnte.
Dr. Erickson und Calum gingen mit mir in den riesigen Garten, der hinter dem Haus lag. Hier blühten eine Unmenge Blumen, von denen ich die meisten noch nie gesehen hatte.
Die beiden führten mich durch den Garten, der im Licht der untergehenden Sonne zauberhaft aussah, zu einem alten, windschiefen Häuschen am Rande der Gemüsebeete. Das Haus war von Efeu überwuchert. Knarrend öffnete Calum die große Holztür und wir traten ein. Mir schlug der Geruch von frischem Holz, Farben und Terpentin entgegen. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen in den Raum und kleine Staubpartikel schwebten im verblassenden Licht des Tages durch die Luft. Staunend sah ich mich um. Es war wie ein Raum aus einem alten Film. An den unverputzten Backsteinwänden hingen Reiseandenken. Da gab es verschiedene Masken, Bilder und ein uraltes Holzkreuz. An einer Wand hingen ein altes Zaumzeug und mindestens zwanzig rostige Hufeisen.
„Meine Glücksbringer“, lächelte Dr. Erickson, als er meinen verwunderten Blick bemerkte. „Sie sind alle aus verschiedenen Ländern.“
Langsam, um nichts umzustoßen, schlängelte ich mich zwischen Tischen mit Werkzeug und unfertigen Rahmen zu den Staffeleien am Ende des Raumes. Darauf standen verschiedene Leinwände mit mehr oder weniger fertigen Bildern. Die Landschaften darauf waren wunderschön, jedes Bild für sich ein Kunstwerk. Ob ich je so würde malen können? Dagegen wirkten meine Zeichnungen dilettantisch.
Während ich die Bilder bewunderte, ging Calum zu einem Stapel alter Bilderrahmen, die an der Wand gegenüber lehnten. Er begutachtete einen nach dem anderen, bevor er drei Rahmen auswählte.
„Die müssten
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