MondSilberLicht
waren zu viel für mich gewesen. Ich machte Musik an und öffnete das Fenster. Es tat so weh. Ich vermisste ihn jetzt schon. Ich sollte Angst vor ihm haben, nachdem ich wusste, wer er war. Was er war. Aber konnte ich das? Er hatte mir nie etwas getan. Im Gegenteil, er war bis auf sein anfängliches unhöfliches Verhalten immer so liebevoll gewesen.
Was sollte ich tun? Was war richtig? Jetzt hätte ich meine Mutter besonders gebraucht. In den letzten Wochen hatte ich nur selten an sie gedacht. Was für einen Rat hätte sie mir gegeben?
Je mehr ich darüber nachdachte, umso sicherer wurde ich. Ich wusste, was sie mir geraten hätte. Ich würde mich von ihm fernhalten. Das war die einzige Möglichkeit, mich nicht so verletzen zu lassen, wie sie verletzt wurde. Wie einsam sie gewesen war. Warum hatte sie mir nie davon erzählt? Ich wusste, dass es schwer sein würde. Aber irgendwann würde ich darüber hinwegkommen. Hoffte ich jedenfalls. Sagte man nicht, Zeit heilt alle Wunden? Bei meiner Mutter hatte das jedenfalls nicht funktioniert.
Ich warf mich auf mein Bett und schrie meinen Schmerz lautlos in die Kissen.
Dann heulte ich los.
11. Kapitel
In der letzten Woche vor den Ferien kam Calum weder in die Schule noch zum Schwimmtraining. Es war nicht zum Aushalten. Wenigstens sehen wollte ich ihn. Er fehlte mir so. Es erschien mir unmöglich, ohne ihn weiterzuleben. Ich konnte keine Angst vor ihm haben, so sehr ich mich auch bemühte.
Ich beschloss, zu Sophie in den Laden zu gehen. Ich musste wissen, wo er war. Ich betete, dass er nicht für immer fortgegangen war. Das vertraute Glöckchen klingelte, als ich eintrat, und Sophie kam mir, in ein dunkelrotes Kleid gehüllt, entgegen. Als sie mich sah, nahm sie mich wortlos in die Arme. Ich brauchte nichts zu sagen.
„Es ist besser so, Emma. Ich weiß, dass es furchtbar schwer für dich sein muss. Er ist vor ein paar Tagen abgereist.“
Mein Herz setzte für einen Moment aus.
„Wenn er nach den Ferien wiederkommt,“ - es begann wieder zu schlagen, und zwar schneller als normal - „wird es nicht mehr so schlimm sein. Es ist gut, dass ihr euch eine Weile nicht seht. Du bist jung, du wirst darüber hinwegkommen und dich wieder verlieben. Und ob du es glaubst oder nicht, dein Herz wird noch öfter brechen. So ist das mit der Liebe.“
Sie lächelte mich an. Weshalb dachten alle, diese Binsenweisheit könne mich trösten? Ich wollte mich nicht öfter verlieben. Ich wollte Calum.
Ich blieb eine Weile bei ihr sitzen und hörte zu, wie sie von ihren Neuerwerbungen berichtete.
Am nächsten Morgen fuhren wir los. Ethan hatte eine dreiwöchige Rundreise durch Schottland geplant. Alle waren ganz aus dem Häuschen. Ich war traurig.
Lustlos packte ich meine Sachen. Ich musste versuchen mich zusammenzureißen, um den anderen nicht die Ferien zu verderben. Die Tour war schließlich hauptsächlich für mich geplant worden. Ich sollte Schottland besser kennen lernen.
Ethan hatte aus der Route, die wir fahren würden, ein großes Geheimnis gemacht. Tagelang hatte er sich in seinem Arbeitszimmer vergraben und jedes Detail penibel geplant. Er überließ nie etwas dem Zufall. Nicht einmal Bree wusste, wohin es uns verschlagen würde. Bis zum Eilean Donan Castle nahmen wir die Fernstraße. Dann machten wir die erste Pause und besichtigten die Burg. Sie war nur über eine kleine Brücke zu erreichen.
„Wusstest du, dass die Burg für Braveheart und Highlander die Kulisse war?“, fragte Amelie. Fröstelnd rieb ich mir die Arme. Im Schatten der grauen, hohen Mauern war es empfindlich kühl. Der Gedanke an mittelalterliche Hinrichtungen diente nicht dazu, dass mir wärmer wurde. Normalerweise hätte ich mehr Begeisterung für das alte Gemäuer aufgebracht, aber heute wollte diese nicht aufkommen. Am Nachmittag fuhren wir über Nebenstraßen weiter. Ich vermutete, dass es nach Edinburgh ging. Die wunderschöne Landschaft der Highlands strich vorbei. Die Zwillinge waren eingeschlafen und auch Peter und Amelie zankten sich ausnahmsweise nicht. So konnte ich ungestört meinen Gedanken nachhängen. Ich musste mir versichern, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wieder einmal versuchte ich mich an die Erzählungen meiner Mutter über die Shellycoats zu erinnern. Es war alles so lange her. Sollte ich Ethan noch mal auf Calum ansprechen? Wer weiß, was er mir erzählen konnte. Nach einigem Überlegen entschied ich mich dagegen. Es war das Beste, wenn ich Calum nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher