MondSilberLicht
zitternder Stimme.
„Nicht ich, sondern mein Volk. Jedes Mal, wenn ich mit dir allein bin, wenn ich dich berühre, wird die Gefahr für dich größer.“
Fragend sah ich ihn an.
Kurz wandte er den Kopf ab und seufzte. „Wir leben ganz anders als ihr. An erster Stelle steht das Wohl des Clans, nicht das des Einzelnen. Verstehst du das?“
Langsam nickte ich. Was sollte schlecht an unserer Liebe sein? Wie sollten wir seinem Volk schaden?
„Ich lebe seit fast zehn Jahren unter den Menschen und habe viel gesehen, viele Menschen kennen gelernt, aber so etwas wie mit dir ist mir noch nie passiert.“ Nachdenklich strich er mir über mein Haar. „Die letzten zwei Jahre unserer Wanderung verbringen wir immer bei Dr. Erickson.“
Ich war verwirrt. „Zehn Jahre? Aber … du bist gerade erst achtzehn. Ich verstehe nicht.“
Er blickte zu Boden und zupfte an einem Grashalm, aber er schien mir wachsamer als vorher.
„Weißt du, Emma, wir altern anders als die Menschen.“ Prüfend sah er mich an. Unsere Zeit vergeht langsamer als eure. Deshalb ist unsere Lebenszeit länger, nur in menschlichen Jahren bin ich achtzehn.“ Ich versuchte, mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
„Was ist nach den zwei Jahren?“
„Ich kehre zu meinem Volk zurück und verliere die Möglichkeit, an Land zu leben.“
„Wann sind deine zwei Jahre um?“, fragte ich. Angst schnürte mir die Kehle zu.
„Ich habe noch ein Jahr“, erwiderte er schnell. „Früher, da gab es eine Zeit, in der wir mit den Menschen in Frieden lebten und entscheiden konnten, ob wir an Land oder im Wasser leben wollten. Aber das ist lange vorbei. Niemand erinnert sich mehr daran. Nur unsere Geschichten berichten davon, wie es damals war.“
„Was meintest du damit, dass ihr die Legende von Nessie geschaffen habt?“
„Dieses riesige Tier wurde durch unsere Magie erschaffen. Es hat nie wirklich existiert.“
„Du musst jetzt gehen“, flüsterte er mir irgendwann ins Ohr. „Es ist spät, sie werden dich vermissen.“
„Ich werde sagen, dass ich in der Bibliothek war“, erwiderte ich, zückte mein Buch wie eine Waffe und stand auf.
Liebevoll musterte er mich und zupfte mir einige Blätter aus dem Haar. „Sie werden sich wundern, welches Buch dir so die Haare zerzaust hat.“ Er nahm mir das Buch aus der Hand und las den Titel. „Shakespeare und die unerfüllte Liebe. Hat Sophie es dir gegeben?“
Ich nickte und versuchte, mein Haar in Ordnung zu bringen.
„Ich finde, es steht dir.“ Calum legte einen Arm um meine Taille und eng umschlungen liefen wir zum Waldrand.
Ich wollte ihn nicht gehen lassen, nicht nachdem ich ihn endlich wiederhatte. Nicht nach all den Wochen der Einsamkeit. Und vor allem, nicht nachdem ich wusste, dass er mich liebte.
„Lass uns vernünftig sein“, bat er. „Es ist besser, wenn niemand von uns erfährt. Wenn Ethan dich in die Staaten zurückschickt, kann ich dir nicht folgen. Wir müssen uns etwas anderes überlegen. Vertrau mir.“
Noch einmal nahm er mich in den Arm und küsste mich. Zum ersten Mal war ich froh über den Nebel. Er war so dicht, dass wir vom Haus aus nicht zu sehen waren. Dann drehte er sich um und verschwand im Wald. Benommen lief ich den Weg zurück.
Zum Glück war Bree noch dabei, das Abendessen vorzubereiten. Ich war froh, niemandem zu begegnen, als ich ins Bad lief.
Zerzaust war noch geschmeichelt und meine roten Wangen sprachen Bände. Wenn Ethan mich gesehen hätte. Bei der Vorstellung wurde mir schlecht. Ich spritzte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und bürstete mein Haar. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, setzte ich ein Lächeln auf und ging in die Küche.
Das Lächeln fiel mir ausgesprochen leicht. Ich war unendlich glücklich.
„Was machen deine Kopfschmerzen?“, fragte Bree, während sie in den Töpfen rührte.
„Oh, die sind weg. Die frische Luft hat mir gutgetan. Was gibt’s zu essen? Ich habe riesigen Hunger.“
Erfreut blickte Bree mich an. „Das wird nicht verraten. Aber du könntest den Tisch decken.“
An diesem Abend aß ich so viel wie lange nicht mehr. Im Bett zog ich meinen Sommernachtstraum hervor und las ihn zu Ende. Ein Happy End könnte ich auch gebrauchen, dachte ich zum Schluss. Glücklich schlief ich ein.
14. Kapitel
„Erzähl mir mehr“, bat ich. Calum und ich lagen auf dem Bett in seinem Zimmer. Mein Kopf lag in seiner Schulterbeuge, meinen Arm hatte ich fest um ihn geschlungen. Sooft es ging, stahl ich mich von
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