MondSilberTraum (MondLichtSaga) (German Edition)
durchbrechen. Es war ein aussichtsloses Unterfangen.
Plötzlich erklang vor dem Eingang der Grotte ein helles Brausen. Die Undinen kehrten zurück.
Der Vater war nicht gewillt aufzugeben. Er schlich zum Eingang der Höhle. Schimmernde Schatten kamen auf ihn zu. Er schrak zurück. Die Körperlosen hatten ihn gefunden. Er würde den Wunsch seiner Tochter nicht erfüllen können. Der erste Schatten betrat die Grotte. Eine Stimme, so lieblich, wie er sie noch nie vernommen hatte, erklang.
»Bist du der Eine - gekommen uns zu erlösen?«
Voller Panik schüttelte er den Kopf.
»Wir werden dir jeden deiner Wünsche erfüllen, wenn du bereit bist, uns zu dienen.«
Kurz flackerte der Wunsch nach seiner Tochter auf. Er schüttelte ihn ab. Diesmal würde er seine Tochter nicht enttäuschen.
Er sah sich um. Es gab keinen weiteren Ausgang. Würden diese körperlosen Wesen ihn aufhalten? Kälte drang in ihn ein. Eisige Kälte. Er begann zu zittern und immer näher kamen die Schatten.
Es gab nur einen Weg, um zu fliehen. Er wirbelte herum und griff nach dem Spiegel. Schwer wog dessen Gewicht in seinen Armen. Mitsamt dem Spiegel kletterte er auf den Rand des Wasserbeckens. Es musste gelingen. Dann sprang er.
Das Kreischen der Undinen dröhnte, selbst unter Wasser, in seinen Ohren. Sein Körper schmerzte unter diesem nicht endenwollenden Geräusch. Das Gewicht des Spiegels zog ihn hinunter. Er zog ihn mit sich durch den schmalen Gang, der sich in den Tiefen des Brunnens vor ihm auftat. Dann endlich war er frei. Das Meer breitete sich vor ihm aus. Die Göttin war mit ihm gewesen.
Die seelenlosen Geschöpfe konnten die Insel nicht verlassen. Körperlos konnten sie ihm nicht folgen. Der Vater brachte den Spiegel zu seinem Volk. Lange Jahre versuchte er, ihn zu vernichten, doch es wollte ihm nicht gelingen. Als er spürte, dass sein Tod nahte, vernichtete er die Inschriften auf dem Rahmen, um die Gefahr durch den Spiegel zu bannen. Zukünftig würde der Spiegel sein Volk schützen. Niemals durfte er den Undinen wieder in die Hände fallen. Sein Volk, die Gwragedd Annwn, würden den Spiegel, wenn er schon nicht zu vernichten war, beschützen.
Ich ließ das Buch sinken. Er hatte sein Versprechen nicht gehalten, schoss es mir durch den Kopf. Nicht halten können. Er hatte den Spiegel nicht vernichtet und die Undinen hatten alles daran gesetzt, ihn zurückzubekommen. Die Zaubersprüche waren verloren gegangen, doch die Undinen hatten sie nicht vergessen. Jahrhunderte lang hatten sie darauf gewartet, dass der Eine kam, der ihnen den Spiegel zurückbrachte. Und nun ermöglichte dieser ihnen, jede unserer Bewegungen zu beobachten. Eine der Inschriften machte es möglich, jeden zu beobachten, ohne dass dieser es bemerkte. Der Gedanke war schrecklich. Etwas nagte in meinem Kopf. Ich hatte etwas in dem Text übersehen, etwas Wichtiges. Leise blätterte ich zurück und begann die Stelle noch mal zu lesen.
Ein Knarren schreckte mich auf. Angespannt versuchte ich die Dunkelheit, die aus dem Flur in die Küche kroch, mit meinen Augen zu durchbrechen. Ein weißer Schatten erschien in der Tür. Erleichtert atmete ich auf, als ich Amelie erkannte.
»Musst du mich so erschrecken?«, warf ich ihr an den Kopf, ehe sie etwas sagen konnten.
»Ich wusste doch nicht, dass du hier mutterseelenallein in der Küche hockst. Ich nahm an, du wärmst Calum das Bett«, verteidigte sie sich.
»Ich konnte nicht schlafen«, versuchte ich einzulenken. Amelie konnte schließlich nichts dafür, dass sie mich beim Lesen gestört hatte. Sie setzte sich mit einem Glas Wasser in der Hand mir gegenüber. Herzhaft biss sie in ein übrig gebliebenes Stück Schokokuchen. Ich schüttelte den Kopf.
»Du wirst dick und rund werden, wenn du den Kuchen weiter so in dich reinstopfst.«
»Ich weiß«, antwortete Amelie mit vollem Mund. »Aber ich hab selten so was Leckeres gegessen. Raven muss uns das Rezept besorgen.«
Ich lächelte und stand auf, um auch mir ein Glas Wasser aus dem Trinkbrunnen zu holen, der selbst in der Nacht leise vor sich hinplätscherte. Ich fragte mich, ob ich Amelie einweihen sollte. Sollte ich ihr erzählen, was ich entdeckt hatte? Muril hatte ursprünglich den Undinen gehört und ein Mann aus dem Volk der Shellycoats, denn nichts anderes waren die walisischen Gwragedd Annwn, hatte den Spiegel gestohlen. Wie immer er in den Besitz der Familie von Talin gekommen war und diese die Aufgabe übernommen hatte, den Spiegel zu hüten, im Grunde
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