Mondspiel: Novelle (German Edition)
Vivian oder meine Mutter getötet oder seinen Kindern etwas angetan hätte. Ich habe die Kinder hierhergebracht, weil ich wusste, dass er versuchen würde, sie zu beschützen.«
»Und damit hast du sie mir ausgeliefert«, knurrte Paul.
»Leg die Waffe hin, Paul.« Dillons Stimme klang matt und betrübt, ein rauchiger Blues. »Es ist aus. Wir werden uns eine Lösung überlegen müssen.« Dillon kam zur Tür herein. Er war so ruhig, und Jessica wollte schreien. Wanden sich die Kinder oben in Qualen, während sie hier unten mit einem Irren sprachen, der eine Waffe auf sie richtete? Ihre Finger fanden den Gitarrenhals, umschlangen ihn und packten fest zu.
»Es gibt nur eine Lösung, Dillon«, sagte Paul ebenso ruhig. »Ich habe nicht vor, mich für den Rest meines Lebens einsperren zu lassen. Es wäre mir unerträglich, hinter Gittern interviewt zu werden, während die Band es wieder ganz nach oben schafft.«
Jessica wusste es. Sie wusste immer vorher, was passieren würde, obwohl sie an sich selbst gezweifelt hatte. Dort in der Dunkelheit, während es draußen in Strömen regnete, wusste sie ganz genau, worauf Paul den Lauf der Waffe nun richtete. Sie wusste, dass er genug gesagt hatte und dass sein Finger abdrückte. Ohne zu zögern trat Jessica entschlossen vor Dillon und holte mit aller Kraft, die sie besaß, aus, um die Gitarre auf Pauls Kopf zu zerschlagen.
Sie hörte die Schüsse und gleichzeitig das Zersplittern der Gitarre auf Pauls Kopf und Dillons heiseren Aufschrei, während ihr die Füße weggezogen wurden. Jessica knallte mit dem Kopf auf den Boden. Sie blieb still liegen und blickte zu der vermummten, sich windenden Gestalt auf. Sie blinzelte, um klarer sehen zu können. Alles schien verschwommen. Ein eigentümliches phosphoreszierendes Licht sickerte ins Zimmer, ein kalter, farbiger Dunst. Der Lufthauch war so eisig, dass sie ihn als einen nebligen Dampf wahrnahm. Er schien zwischen Paul und die anderen Anwesenden zu gleiten.
Paul stieß einen heiseren Schrei aus, in dem sich eine Mischung aus Wut und Angst ausdrückte. Einen Moment lang verschoben sich die Farben und bewegten sich, um das schimmernde, durchscheinende Bild einer Frau in einem fließenden Gewand zu bilden, die Paul einen langen, dünnen Arm entgegenstreckte, um ihn anzulocken. Dann kam Dillon in Bewegung, schützte Jessicas Körper mit seinem eigenen und nahm ihr die Sicht auf die eigentümliche Erscheinung, so dass sie nur den zweiten Schuss hörte.
»Vivian, verlass mich nicht noch einmal!« Brendas Aufschrei klang gequält, und sie wankte mit ausgestreckten Armen vorwärts. Dillon packte sie und zog sie auf den Boden hinunter, um sie in Sicherheit zu bringen.
Jessica hörte den Aufprall, mit dem die Leiche auf den Boden fiel. Sie starrte in Pauls weit geöffnete Augen. Sie wusste, dass er tot war und schon kein Leben mehr in sich gehabt hatte, als er den Boden berührte. Am Ende war er entschlossen gewesen, Dillon mit sich zu nehmen, und sie war ebenso wild entschlossen gewesen, das nicht zuzulassen.
Brenda weinte leise und herzerweichend. »Hast du sie gesehen, Jessica? Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht verrückt bin. Hast du sie gesehen?«
Mit einem Fußtritt schleuderte Dillon die Waffe aus Pauls Hand. »Ruf auf der Stelle den Arzt an, Brenda!« Die Autorität seiner Stimme riss Brenda schlagartig aus ihrem Kummer. »Sieh nach Tara und Trevor — vergewissere dich, dass ihnen nichts fehlt. Und dann rufst du die Polizei.« Seine Hände glitten über Jessicas Beine und suchten nach einer Wunde, suchten nach dem Einschussloch der Kugel, die sie zu Boden geworfen hatte.
Er fand kein Blut und keine klaffende Wunde, nur einen riesigen blauen Fleck, der sich langsam auf ihrem linken Oberschenkel bildete. Die Stelle war empfindlich und schmerzte, aber weder Dillon noch Jessica wussten, wer sie fest genug getreten hatte, um die Beine unter ihr wegzuziehen. Brenda hatte erstarrt dagestanden und sich nicht von der Stelle gerührt. Beide starrten das seltsame Mal an, zwei Kreise ineinander, der innere Kreis wesentlich dunkler als der äußere. Ein Schutzkreis.
»Ich muss nach Paul sehen«, sagte Dillon, und sie hörte den Schmerz in seiner Stimme.
»Für ihn kommt jede Hilfe zu spät, Dillon. Fass nichts an«, warnte Jessica ihn behutsam. Da es jetzt vorbei war, begann sie, nahezu unkontrolliert zu zittern. Ihr Bedürfnis, zu den Kindern zu eilen, überwog alles andere. Ihr Bedürfnis, Dillon zu trösten, war ebenso groß. Sie
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