Mondspiel: Novelle (German Edition)
Einzige, der ständig hier war. Als ich begriffen habe, dass die Unfälle jeden von uns hätten treffen können, wusste ich, dass sie uns alle vertreiben sollten. Der Erdrutsch, der Weihnachtsbaum, das Öl auf der Treppe. Sogar die Schokolade. Du dachtest, wenn genug passiert, würden wir alle fortgehen. Das war es, was du wolltest, stimmt’s? Du wolltest, dass niemand hierherkommt.« Ihre Stimme war sanft und verständnisvoll.
»Aber ihr seid nicht fortgegangen«, sagte er. »Du hast sie hierher zurückgebracht. Ihre Kinder. Vivian war schlecht, eine ekelhafte Verführerin, die uns alle nicht in Ruhe lassen wollte.«
Jessica hörte das Schuldbewusstsein und den schwelenden Hass aus seiner Stimme heraus. Alles ließ sich auf Vivian zurückführen. Jetzt wusste sie Bescheid. Sie litt mit Dillon. Wie sollte man mit so viel Verrat umgehen? Sie hätte gerne um sie alle geweint. Dieses Weihnachtsfest würde kein Wunder für die Zwillinge oder Dillon bereithalten, nur noch mehr Kummer, noch mehr Tragödien.
»Du hast sie geliebt.« Sie sagte die Worte nüchtern im Dunklen zu dem Mann, der seelenruhig die Treppe hinaufgestiegen war, Vivian und ihren Liebhaber kaltblütig erschossen und die anderen Anwesenden im Zimmer
eingeschlossen hatte, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass das Feuer tobte und wütete.
»Ich habe sie gehasst! Ich habe sie verabscheut!«, zischte Paul. »Sie hat mich verführt. Ich habe sie angefleht, mich in Ruhe zu lassen, aber sie ist immer wieder in mein Bett gekrochen, und ich konnte es nicht lassen. Sie hat mich ausgelacht und gedroht, es Dillon zu erzählen. Er war der einzige Freund, die einzige Familie, die ich jemals hatte. Ich konnte nicht zulassen, dass sie mich zerstört. Oder ihn. Phillip hatte den Tod verdient, er hat sie benutzt, um an Dillon ranzukommen. Er dachte, Dillon würde ihm Geld geben, damit er Vivian in Ruhe lässt.«
»Wie ist er denn auf den Gedanken gekommen?« Brenda war viel zu ruhig, und das bereitete Jessica Sorgen. Sie warf der anderen Frau einen Blick zu, konnte sie aber im Dunkeln nicht deutlich genug sehen.
»Das spielt doch keine Rolle. Nichts von all dem spielt eine Rolle. Er hat sich für dich entschieden. Als ich dich von der Klippe gestoßen habe und selbst abgerutscht bin, hat er dich gerettet, nicht mich. Ich konnte es nicht fassen. Er war es nicht wert. All diese vergeudeten Jahre. Sein Genie. Ich habe seinem Talent gedient, seiner Größe, ich habe für ihn gesorgt, ihn beschützt , für ihn getötet , und er ist auf die nächste Hure reingefallen.« Paul schüttelte den Kopf und brachte damit Leben in den Umhang. »Ich habe ihm alles gegeben, und er hat sich für dich entschieden. « Die letzten Worte schleuderte er ihr ins Gesicht wie das Knurren eines tollwütigen Hundes.
Jessica zwang sich zu einem höhnischen Lachen. Sie tastete mit ihren Fingerspitzen nach der Gitarre an der Wand, ihrer einzigen Waffe. »Sind das die Lügen, die du dir nachts selbst erzählst, damit du schlafen kannst, Paul?
Du hast ihn verraten, indem du mit seiner Frau geschlafen hast. Wahrscheinlich hast du Phillip Trent mit Vivian bekanntgemacht. Du hast Dillon einen Prozess durchmachen lassen, hast jeden in dem Glauben gelassen, er hätte die Morde begangen, und dabei hättest du ihm das ersparen können, indem du schlicht und einfach die Wahrheit sagst. Du warst verantwortlich für das Feuer, das ihn verbrannt hat. Du hast meine Mutter ermordet, weil du dachtest, sie erpresst ihn. Du hast ihn in eine Lage gebracht, in der er erpresst werden kann, und du hast Unfälle arrangiert, bei denen seine Kinder hätten sterben können – und das nur, um ihnen solche Angst einzujagen, dass sie nicht mehr in seine Nähe kommen. Wie kommst du dazu zu behaupten, du hättest ihm alles gegeben? Du hast ihn zu einem Gefangenen in diesem Haus gemacht, und als es so aussah, als könnte er ausbrechen, hast du von neuem versucht, ihn vom Rest der Welt zu isolieren.«
»Halt den Mund!« Pauls Stimme triefte vor Hass. »Sei endlich still!«
»Dein größter Fehler war, dass du seine Kinder in Gefahr gebracht hast. Dieser Plan ging ins Auge. Du musst meinen Brief abgefangen haben, in dem ich geschrieben habe, die Kinder sollten bei ihm sein. Du wolltest sie nicht hier haben, stimmt’s? Sie waren eine Bedrohung für dich. Du wolltest, dass ich glaube, Dillon versuchte, sie zu verletzen, nicht wahr?« Sie sah ihn fest an. »Aber verstehst du, ich kenne Dillon. Ich wusste, dass er niemals
Weitere Kostenlose Bücher