Mondsplitter
kastenförmige Maschinen, die je nach Modell zwischen zwölf und vierzig Passagiere befördern konnten. Ihr einziger Auftrag bestand darin, Fluggäste und Frachten zwischen den Raumstationen zu bewegen. Diese Maschine jetzt war die Christopher Talley. Tony war nahe genug dran, um Menschen in der Fahrgastkabine zu erkennen – wahrscheinlich Angehörige, die zur Sicherheit vor dem anfliegenden Kometen nach Skyport gebracht wurden.
Digitale Anzeigen schwammen auf Tonys Monitoren ineinander, während die Feinsteuerraketen zündeten und der Hauptantrieb, der das Schiff abgebremst hatte, still wurde. Der Mikrobus rotierte jetzt synchron mit der Station. Der Mond, der aus einer Entfernung von gerade mal sechzigtausend Kilometern riesenhaft wirkte, und die Erde schwebten langsam an den Fenstern vorbei, verfolgten einander scheinbar, während sich der Mikrobus um die eigene Achse drehte.
Wie Skyport benutzte L1 gegenläufig rotierende Räder, um die Stabilität zu verbessern und einen ansehnlichen Teil der Mondschwerkraft zu simulieren. L1 war fast um ein Drittel kleiner als der Erdorbiter, und weil die Station keinen touristischen Zwecken diente, war sie viel spartanischer eingerichtet. Mehrere Bündel von Feinsteuerraketen halfen dabei, die Position auf der instabilen Lagrangeposition zu halten.
»Sieben Minuten bis ins Dock«, meldete Saber.
»Roger.« Er stellte die Maschine auf die Kurzstrecken-Signalfeuer ein und manövrierte auf dem gekennzeichneten Leitkurs, während Saber mit den Fluglotsen redete und von Minute zu Minute neue Daten für Kurskorrekturen durchgab.
Dann meldete sich eine neue Stimme in der Verbindung.
»Tony.«
»Reden Sie, L1.«
»Eine Aktualisierung. Zu Ihrer Information, Tony: Wir erhielten gerade Nachricht, daß wir die Station evakuieren.«
Tony glaubte, es ginge um die Mondbasis. »Bitte wiederholen.«
»Man erwartet große Schwierigkeiten, wenn der Komet einschlägt. Wir räumen L1.«
L1 wurde geräumt? »Bis Samstag?«
»Roger. Sie sind hiermit angewiesen, Ihre Passagiere abzusetzen und ruckzuck zurückzufliegen.«
Der Terminator bog sich über die Mondoberfläche und unterteilte sie scharf in Dunkelheit und Licht. Tony blickte zu Saber hinüber.
»Wir sind hier weit weg vom Mond«, sagte sie. »Wieviel Schaden kann Tomiko denn nun anrichten?«
5.
Skyport, 16 Uhr 04
Die beiden zu den ersten Flügen eingeteilten Raumfähren kamen aus Berlin und Kopenhagen. Die Piloten hatten ihre Flugbegleiter zu Hause gelassen. George hatte seinem erlaubt, an Bord der Arlington zu kommen, da er nur mit dem Flug nach L1, nicht aber mit dem Mondeinsatz gerechnet hatte.
Das vierte Raumschiff, informierte man sie, würde aus Rom starten.
Die drei Flugbesatzungen diskutierten eine Stunde lang mit Angehörigen des Betriebspersonals in einem Besprechungsraum die Einzelheiten, vereinbarten das Funkprotokoll für Notfälle, versuchten vorherzusehen, was alles schiefgehen konnte, diskutierten Handlingprobleme, mit denen zu rechnen war. Die einstufigen Raumfähren waren nicht für einen Mondflug konstruiert, und falls irgend jemand so etwas doch vorhergesehen hatte, war dies den betriebstechnischen Notfallplänen nicht zu entnehmen. Die Maschinen wurden durch die große Masse der Flugwerke, Atmosphärentriebwerke und der Fahrwerke behindert. Falls sie wirklich herumfliegendem Gestein ausweichen mußten, hatten die Piloten alle Hände voll zu tun.
Sie sollten in die angewiesene Umlaufbahn eintreten, wo die Mondbusse zu ihnen heraufkamen. Die Lunies hatten auch zwei Lastkähne zur Verfügung. Diese konnten nicht im Flug an andere Fahrzeuge andocken, sondern mußten ihre Passagiere durch Außenbordaktivität übersetzen. Bei diesen Fluggästen handelte es sich natürlich um Betriebspersonal. Und zwar jeweils nur eine oder zwei Personen. Die Kapazität der Lastkähne war begrenzt.
»Nicht vorhanden träfe es besser«, sagte Nora Ehrlich, Pilotin der Kopenhagen und geborene Britin. »Wie knapp ist dieser Einsatz kalkuliert?«
»Das ist der wunde Punkt«, sagte der Konferenzleiter. »Wir haben keinen Spielraum für Fehler.«
Kurz nach seinem Eintreffen hatte George erfahren, daß weitere Maschinen zugezogen worden waren, um Skyport zu evakuieren. Nur Stationspersonal sollte dort zurückbleiben, um die Raumfähren zu warten und sich um die Passagiere zu kümmern, und ein paar auch, um die Station in Betrieb zu halten. Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme, hieß es von seiten des
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