Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
bemerkenswertesten Eigenschaften wurden in Stein gemeißelt. Moos, Pilze, Flechten und eine ganze Menge kleinerer Kletterpflanzen wuchsen mit der Zeit über die Grabmäler, die meist aus porösem Kalkstein gefertigt waren.
Die ganze Nacht über hatte Galenis den Hof bewacht, ohne auch nur eine Minute geschlafen zu haben. Am Morgen war sein Gesicht noch faltiger geworden, seine Augen fahl und stumpf. Seine Mine war kalt und verriet nichts über sein Empfinden. Es war eine sehr sensible Angelegenheit, bei einer fremden Familie zu sein, die in der vorigen Nacht einen geliebten Menschen verloren hatte. Also verhielt er sich leise, blieb im Hintergrund.
Mathilde hatte die ganze Nacht über neben ihrem toten Mann gewacht, seine Wunden gereinigt, ihn mit Kräutern gesalbt und seine Hände betend gefaltet. Und sie hat viele Tränen geweint, so viele, dass Parus es nicht ertragen konnte, in ihrer Nähe zu sein. Er hatte sich einen Besen gegriffen und lenkte sich ab, indem er das gesamte Haus vom Blut der Spinnen befreite und die herumliegenden Trümmer zum Fenster hinauswarf. Er hatte seit dem Tod seines Vaters nur zwei Stunden geschlafen und in denen war er bewusstlos gewesen. Er konnte sich kaum an das erinnern, was im Wald geschehen war. Galenis hatte ihm auch nicht viel erzählt. Er fühlte sich schrecklich hilflos und leer. Leer wie der alte Brunnen vor dem Haus - ausgetrocknet. Seine linke Hand zitterte unablässig und seine Trauer kam in regelmäßigen Stößen wieder. Er war todmüde, doch konnte weder schlafen, noch richtig wach sein. Wie ein Geist wandelte er durch das Haus. Sein Gemüt war so tief schwarz wie das Wasser, das er zum Fenster hinausschüttete.
Im Laufe des Morgens fand er am Boden einen zusammengeschrumpelten Spinnenstachel. Verächtlich hatte er ihn betrachtet, in seiner Hand gedreht. Ein Moment der Stille, dann zerbrach er das Kleinod und warf es zu Boden. Er trat noch einmal darauf und drehte seinen Stiefel auf der Stelle. Knirschend zerfiel die letzte Spur der Bestien unter seinen Sohlen und rieselte als feiner Staub durch den Boden in das alte Kellergewölbe. Als er die taube Welt um ihn herum wieder wahrnahm, ging er gerade durch die eingerissene Haustür in den Hof hinaus. Auf der Schwelle blieb er stehen. Die Abdrücke, die er gestern Nacht kniend geschaffen hatte, waren noch immer deutlich im Schlamm zu sehen. Verbitterung verscheuchte Trauer und Resignation aus seinen Gedanken. Langsam hob er den Kopf und sah Galenis, der nur ein paar Meter von ihm entfernt stand, direkt in die Augen. Der Zauberer ging auf ihn zu.
„Hast du geschlafen, Parus?“
„Nein“
Parus antwortete kühl und ohne jede Regung in seinem Gesicht. Galenis legte ihm die Hand auf die Schulter. Obwohl sich der junge Mann innerlich dagegen sträubte, lag etwas tief Beruhigendes in dieser Berührung. Sie war das einzige, an das sich Parus jetzt klammern konnte. Während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, dachte er an die Sagen und Märchen, die man ihm in seiner Kindheit erzählt hatte. Die meisten von ihnen handelten von Todesverachtung, Kampf, Sieg über monströse Feinde. Die Helden fühlten keine Trauer und keine Hilflosigkeit. Sie verhielten sich nicht wie die Menschen, die Parus kannte. Sie waren reine Fiktion. Und der Tod war weniger süß als in den Geschichten.
Galenis riss ihn aus seinen Gedanken, als er sprach:
„Heute Nachmittag werden wir deinen Vater beerdigen.“
Parus nickte und sah zum Familienfriedhof hinüber. Die Kalksteine leuchteten im hohen Gras wie Zähne. Ein weiterer hatte sich zu ihnen gesellt. Mathilde musste ihn am frühen Morgen dorthin gerollt haben. Parus schämte sich auf einmal, dass er seiner Mutter nicht geholfen hatte. Galenis schien seine Gedanken erraten zu haben.
„Keine Sorge, du wärst ihr keine Hilfe gewesen. Die gestrige Nacht hat deine Kräfte sehr beansprucht. Und deine Mutter ist stolz. Er war ihr Mann und es war daher ihre Aufgabe.“
Parus sah den Magier zweifelnd an. Wieso seine Kräfte? Er konnte sich nicht daran erinnern, sich bei dem Kampf besonders hervorgetan zu haben. Galenis hatte gekämpft, daran konnte er sich erinnern. Aber er selbst? Nachdenklich wandte er sich von Galenis ab und ging ins Haus zurück. Er fand seine Mutter am Ofen sitzend, eine Tasse Kräutertee in den zittrigen Händen. Er setzte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. Dies war einer der letzten Momente, die Parus mit seiner Mutter
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