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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Erstickt, überdreht.
    »Vivi zeigt alles!«
    »Aber Vivi will auch alles sehen.«
    »Und alles anfassen«, sagte Giovanni, was bei uns noch mehr Gelächter hervorrief.
    »Glaubst du, dass Vivi es schon gemacht hat?«
    »Mit wem?«
    »Ach, das weiß ich doch nicht. Mit irgendwelchen Jungen bei ihr in der Pension.«
    Giovanni glaubte es nicht.
    »Sie war nur dabei, wenn ihre Mutter es machte.«
    Wir sahen uns an, etwas atemlos nach dem Gelächter.
    »Würdest du mich heiraten?«, fragte Giovanni plötzlich.
    »Priester können doch nicht heiraten!«, versetzte ich.
    Seine Augen trübten sich.
    »Ach so, ja, das hatte ich ganz vergessen.«
    »Willst du wirklich Priester werden?«
    Er antwortete leise und unbewusst, als hätte etwas in ihm gesprochen.
    »Onkel Antonino sagt, dass ich es werden muss.«
    »Aber vorher…«, sagte ich. »Hat dein Onkel dir nicht gesagt, dass du es darfst?«
    »Onkel Antonino redet nie darüber.«
    Giovannis Stimme wurde etwas heiser.
    »Aber ich weiß, dass er es mit sich selbst macht.«
    »Mit sich selbst?«
    Ich war verwirrt, dann fiel es mir wieder ein. Ach so, ja, ja, auch von diesen Dingen hatte Vivi erzählt. Zum Glück gab es Vivi, denn unser akkurater Schulunterricht hatte Aufklärung nicht im Programm. Dafür mussten wir die Namen der neun Musen auswendig lernen: Thalia, Euterpe, Polyhymnia und so
weiter… Ob die Musen uns im Leben weiterhalfen, bezweifelte ich.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich Giovanni.
    Er lächelte verschmitzt. Wir empfanden beide das gleiche schuldhafte Vergnügen, über solche Dinge zu reden.
    »Ich habe die Flecken in seinem Bett gesehen. Eine richtige Landkarte!«
    Wir krümmten uns vor Lachen. Auch diesen Ausdruck hatten wir von Vivi. Aber Giovanni wurde gleich wieder ernst.
    »Mir hat er gesagt, wenn mir das nachts passiert, soll ich … mir sofort die Hände waschen und beten. Er könnte mir auch die Hände festbinden, wenn ich wollte.«
    Ich starrte ihn an.
    »Hat er das gesagt?«
    »Ja, aber ich will das nicht.«
    Das Gestaltlose zu gestalten gehört zum Erwachsenwerden. In Schatten von ungleichmäßiger Dichte zeigte uns die Wirklichkeit ihr Antlitz. Aber unsere Sinne waren noch in Knospen gehüllt, und die Dinge, besonders die Dinge des Körpers, erschienen uns fremdartig und beängstigend. Bei all dem, was Giovanni bereits wusste, empfand auch er diese Angst. Der sexuelle Schmutz, mit dem er aufgewachsen war, drückte sich nur in seinem Reinlichkeitsfimmel aus – jeden Tag eine sauber gewaschene Unterhose – und hatte mit dem, was uns Herzklopfen verursachte, ebenso wenig zu tun wie Don Antoninos nächtliche »Landkarte«. Er lebte in einer anderen Welt. Sport? Disko? Kino? Sein Onkel sah es nicht gern. Giovanni sollte über seinen Büchern sitzen und sich bilden, wie es sich für einen zukünftigen Priester gehörte. Giovanni fügte sich aus Pflichtbewusstsein und Dankbarkeit. Seinem Onkel war er ja völlig ausgeliefert. Giovanni gab zu, dass er diesen Zwang hasste. Sein Herz war verwirrt, und mein Herz warf sehr wohl das Echo dieser Verwirrung zurück. Im Unterricht machten ihn sein verschlossenes Gesicht, seine düsteren
Augen seltsam alterslos. Umso erstaunlicher war es, wenn er lachend seine weißen Zähne zeigte. Sein Lachen glich einer Quelle, die einem Felsen entspringt. Aber das Lachen sah meistens nur ich. Und im Klassenzimmer glitt sein Blick, mein Bild mit den Augen und der Seele suchend, immer wieder unauffällig zu mir. Heute scheint mir, dass der Raum, der uns trennte, von der Sehnsucht, die uns zueinandertrieb, vibrierte. Und ebenso scheint mir, dass ich Vivis stilles, wissendes Lächeln sehe, während Peter mit abweisend gekrümmtem Rücken den Eindruck erweckte, dass ihn das Ganze nichts anging, dass er lediglich aufmerksam schrieb oder auf das lauschte, was der Lehrer vorn an der Tafel erzählte. Die wenigen freien Augenblicke, die Giovanni und ich hatten, erlebten wir nach dem Unterricht, wenn er wie gehetzt davonrannte und ich unter irgendeinem Vorwand zurückblieb und den Bus verpasste, der Peter und Vivi und den Großteil der Mitschüler in die Stadt brachte. War der Bus mit laut ratterndem Motor davongefahren, kamen Giovanni und ich aus verschiedenen Richtungen an die Haltestelle, wo jetzt keiner mehr war. Der Strand lag ganz nahe, und der Weg über die Klippen war uns vertraut. Wir hielten uns an der Hand, aber zu küssen wagten wir uns erst in der Höhle, wenn wir sicher waren, dass kein Mensch uns beobachtete. Wir

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