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Money, Honey

Money, Honey

Titel: Money, Honey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sey
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alles getan und gegeben. Mit aller Kraft unterdrückte sie diese Gedanken. Dieses kleine Mädchen hatte sie vor vielen Jahren zurückgelassen und verdrängt. Sie wagte es nicht, jetzt über es zu sprechen.
    Trotzdem fragte sie sich unwillkürlich, wie ihr Leben wohl heute aussehen würde, hätte sie da nicht jemand rausgeholt. Wer wäre sie heute, wenn sie nicht nur zehn Jahre unter dem Einfluss ihres Vaters gestanden hätte, sondern fast ihr ganzes Leben lang? Mara und Patrick waren nicht vor diesem Schicksal gerettet worden und hatten dennoch ihren Weg in ein normales, bürgerliches Leben gefunden. Es war nicht ohne Narben und Irrtümer dabei abgegangen, nichtsdestoweniger - sie waren am Ziel angekommen. Liz wusste nicht, ob sie das auch geschafft hätte. Plötzlich sah sie Mara und Patrick mit ganz anderen Augen. Sie erschienen ihr ausgesprochen mutig und stark, und Liz schämte sich dafür, dass sie die beiden bisher so leichtfertig verurteilt hatte. Leichtfertig und naiv.
    Mara schien Liz’ Schweigsamkeit nicht zu bemerken, nach einer kurzen Pause sprach sie weiter: »Patrick kann rücksichtslos sein, wenn es seine Pläne erfordern, und er scheut sich nicht, die Konsequenzen aus diesem Verhalten zu tragen.«
    »Das ist mir nicht entgangen«, bestätigte Liz.
    »Es würde mich daher wirklich nicht wundern, wenn er mich damals verraten hätte. Früher oder später wäre ich bei meinem minimalen kriminellen Talent ohnehin geschnappt worden. Ein mittelmäßiger Juwelendieb hat eine ziemlich kurze Karriere vor sich. Daher ist es durchaus vorstellbar, dass er mich hat auffliegen lassen, falls er sicher war, dass ich anschließend nicht ins Gefängnis wandere. Er hat ein paar Jahre den Informanten fürs FBI gespielt, und ich bekam eine zweite Chance.«
    Liz runzelte die Stirn und dachte darüber nach. »Wir wissen nicht, wer dich verraten hat«, sagte sie schließlich. »Der Hinweis ging anonym ein.«
    »Irgendwann werde ich ihn danach fragen.«
    Die Antwort darauf hätte Liz selbst gern gewusst. Sie empfand, wenn es auch schwerfiel, eine gewisse Hochachtung dafür, was Patrick für seine Schwester getan hatte. Er war damals gerade einmal vierundzwanzig Jahre alt gewesen und der König der Juwelendiebe, als er sich wegen Mara plötzlich am Scheideweg wiederfand. Entweder musste er seine Schwester im Stich lassen oder seinen Partner, mit dem er gerade seinen neuesten Coup plante. Er hatte sich für Mara entschieden.
    Villanueva war vor seiner Verhaftung rechtzeitig geflohen, aber Patrick hatte für seine Schwester bezahlt. Allerdings nicht mit einer Gefängnisstrafe. Er musste sein altes Leben aufgeben und seine ehemaligen Komplizen und Freunde ans Messer liefern. Damit war er in seiner alten Welt vom Kronprinz zur Persona non grata abgestürzt. Das alles hatte er mit dem Fatalismus hingenommen, den Liz inzwischen so gut von ihm kannte.
    Maras Vermutungen erschlossen allerdings einen ganz neuen Aspekt. Auf den war Liz bisher noch nicht gekommen, und es widerstrebte ihr, darüber nachzudenken. Hatte Patrick wirklich sein eigenes Ende als Meisterdieb eingeläutet? Alles dafür aufgegeben, um jemanden zu beschützen, den er liebte?
    Liz zuckte zusammen. Das würde bedeuten, dass Patrick nicht nur so was wie Moral hatte, sondern möglicherweise sogar mehr davon als sie selbst.
    »Glaubst du wirklich, dass er das getan haben könnte?«, fragte sie ein bisschen verzweifelt. »Ich meine, er hatte alles erreicht, was er als Sohn seiner Eltern erreichen wollte. Kann er das tatsächlich dafür aufgegeben haben, dass du eine zweite Chance bekommst, auf die du in dem Moment noch nicht mal sonderlich scharf warst?«
    Mara nickte. »Ich trau es ihm zu.«
    »Hat ihn jemand zum Messias ernannt, als wir gerade mal nicht hingesehen haben?«
    Lachend erwiderte Mara: »Zumindest scheint Patrick dieser Meinung zu sein. Er hat ein paar ziemlich dezidierte
    Ansichten über Schicksal und Gerechtigkeit. Ich glaube, deshalb findet er dich so attraktiv. Ihr beide seid wie die zwei Seiten einer Münze. Für ihn bist du die andere Seite seines Ichs. Der Ausgleich zu ihm.«
    Liz blinzelte. »Wie bitte?«
    »Mein Bruder glaubt, er hat etwas Dunkles in sich, das einfach von Natur aus da ist und sein Schicksal bestimmt. Als hätte ihn das Universum und nicht unser Vater zu einem Kriminellen gemacht. Und deshalb meint er, dass er niemals all das haben kann, was normale Menschen für selbstverständlich halten. Ein Haus in einer netten Gegend, wo man

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