Money, Honey
Patrick. Ich werde dir das alles nämlich nur einmal erzählen. Mein Vater war der Begründer und Anführer einer Sekte. Er versammelte Verzweifelte und Ausgestoßene um sich und redete ihnen ein, sie seien alle Märtyrer. Opfer. Die verfolgten Auserwählten des Herrn, die im Himmel reich entlohnt werden würden.« Liz zuckte mit den Schultern. »Wenn schon alles so beschissen sein muss, erträgt man es besser, falls es dafür wenigstens einen Grund gibt, verstehst du? Das wurde uns jeden Tag wieder eingebläut. Wir sind anders. Etwas Besonderes. Wir sind die Auserwählten, von Gott dazu bestimmt, um nach seinem heiligen Gesetz zu leben. Seltsamerweise aber sprach Gott ausschließlich mit meinem Vater. Was erklären mag, warum Gott sich den Kopf ständig über die sexuellen Praktiken seiner Schäfchen zerbrach. Eigentlich war es doch logisch, dass seine Propheten viele Frauen und damit natürlich viele Kinder haben sollten. Die Masse macht’s!«
Patrick musterte sie, allerdings war es unmöglich zu erraten, was er dabei dachte. Also fuhr Liz einfach fort.
»Manchmal hat uns ein Bruder oder eine Schwester verlassen, und dann trauerten wir um sie, als wären sie gestorben, obwohl wir sie noch manchmal im Ort trafen - mit modernen Frisuren und entblößten Armen und Beinen. Wir waren sicher, dass ihre Seelen nun dazu verdammt waren, auf ewig in der Hölle zu schmoren. Und vor der Hölle fürchteten wir uns mehr als vor allem anderen. Vielleicht mal abgesehen von meinem Vater.«
Sie unterbrach sich, konnte nicht weitersprechen.
»Er hat jedem, der ihm mit großzügigen Spenden half oder seinem Ehrgeiz dienlich war, kleine Mädchen zugeführt«, stieß Patrick zornig aus. »Das Geld steckte er sich bevorzugt in seine eigene Tasche. Oh Gott, Liz, du warst noch ein Kind. In deinem Hochzeitskleid mit den ganzen Rüschen und Schleifen hast du ausgesehen wie ein Geschenk für irgendeinen kranken alten Mann.«
»Ich weiß.« Liz wurde übel. Den Tag würde sie nie vergessen. Ihr Hochzeitstag. Der Geruch nach Staub und Blut die Schüsse, die plötzlich mitten in der Zeremonie gefallen waren. Die FBI-Agenten, die wie Heuschrecken überall gleichzeitig auftauchten. »Trotzdem - ich bin gerade noch mit heiler Haut davongekommen.«
»Das war purer Zufall«, erwiderte Patrick sanft. »Hätte das FBI seine lange geplante Aktion erst am folgenden Tag durchgeführt, wäre es zu spät gewesen.«
»Siehst du, Patrick, mich hat das System gerettet. Das Bild von mir in meinem Hochzeitskleid ging um die ganze Welt. Ich kam dann zu meiner Großmutter. Dass ihre Tochter sich einer Sekte angeschlossen hatte, war mehr gewesen, als sie ertragen konnte. Ihr Herz war gebrochen. Was sie mir nicht an Liebe geben konnte, hat sie durch ihr Verantwortungsbewusstsein wettgemacht. Ich erhielt ein neues Zuhause und die Anonymität, um ein halbwegs normales Leben führen zu können. Das war nur möglich, weil das System, das du so hasst, mich gerettet hat.
Ich behaupte gar nicht, es würde perfekt funktionieren, denn das tut es weiß Gott nicht. Aber allein die Behörden können die Schwachen beschützen. Donald Brady ist nicht von seinen Eltern missbraucht worden, doch auf jeden Fall haben sie ihn sträflich vernachlässigt. Und deshalb muss das System einschreiten, ihn disziplinieren und ihm einen moralischen Kompass mitgeben. Das wird allerdings nur passieren, wenn er für seine Fehler bezahlt. Trotzdem werde ich alles dafür tun, dass er danach noch eine Zukunft hat.«
Patrick betrachtete sie einen langen Moment lang. »Und du glaubst wirklich, dass du das schaffst?«
»Ich kann nichts versprechen, werde mich aber im Rahmen meiner Möglichkeiten und mit aller Kraft für ihn einsetzen.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie kannst du nach allem, was du selbst erlebt hast, noch immer so naiv sein? Wenn der Junge vor Gericht landet, kommt er in den Knast. Und da wird er erst recht endgültig zum Verbrecher.«
»Er wird bestimmt kein gesetzestreuer Bürger, falls wir ihn einfach laufen lassen«, widersprach Liz. »Donald Brady muss für seine Taten einstehen. Sonst stimmt etwas nicht mit unserem Rechtssystem.«
»Verdammt!« Patrick fuhr sich durch die Haare und drehte sich um. »Du tust gerade so, als ob Gott selbst die amerikanischen Gesetze in Stein gemeißelt hätte. Meiner Meinung nach hast du dich nie von deinem Kindheitstrauma erholt, Liz. Du denkst noch immer ausschließlich in Schwarz und Weiß. Deinen blinden Glauben an Gott hast du mit
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