Moni träumt vom großen Glück
Einsamkeit eine Tasse Tee trinken. Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?“
„Ich sage nicht nein“, sagte Marc. „Tausend Dank!“
Ich lief in die Küche, brühte den Tee auf und machte schnell ein paar delikate Butterbrote zurecht.
„Hören Sie, Moni“, sagte Marc, als wir die erste Tasse Tee getrunken hatten. „Darf ich Ihnen als beinahe alter Freund einen Rat geben?“
„Natürlich“, sagte ich. „Ich bitte Sie darum!“
„Erzählen sie Ihrer Mutter die ganze Geschichte von gestern!“
„Was? Mutti erzählen?“
„Ja, Moni, tun Sie das, raffen Sie sich auf und beichten!“
„Sie wird aber schrecklich böse werden“, sagte ich.
„Höchstwahrscheinlich, und ehrlich gesagt, Moni, das verdienen Sie auch! Aber tun Sie es, Sie werden nachher ein besseres Gewissen haben. Wissen Sie, Ihre Mutter wird es bestimmt früher oder später erfahren. Sie werden sich eines Tages verplappern. Und wenn Sie es auch nicht tun, Sie müßten immer aufpassen.“
„Übrigens“, jetzt lächelte er, „gesetzt den Fall, Ihre Mutter bekäme zu wissen, daß wir beide uns kennen, wie wollen Sie das erklären? Sie würden doch nicht direkt lügen?“
„Nein!“ sagte ich. Lügen wollte ich nicht. Daß ich Mutti etwas verschwiegen hatte, das war so eine Sache, aber lügen wollte ich nicht.
„Sehen Sie“, sagte Marc. „Entweder dürfen wir uns gar nicht treffen, Sie und ich, oder Sie müssen Ihrer Mutter die ganze Wahrheit erzählen.“
Ich überlegte es mir noch einmal. „Gut, Marc“, sagte ich. „Ich werde es tun.“
Wir tranken noch eine Tasse Tee, und Marc blieb sitzen und guckte sich in unserem Wohnzimmer um.
„Wie gemütlich ist es bei Ihnen“, sagte er. „Wissen Sie, ich kann bloß nicht begreifen…“ Er schwieg, vollendete den Satz nicht.
„Was können Sie nicht begreifen?“ fragte ich.
„Nein, nichts. Ich überlegte bloß etwas.“
„Ich kann mir schon denken, was Sie meinen“, sagte ich. „Weshalb ich so schrecklich eifrig Geld spare, so daß ichdie halbe Nacht damit verbringe, auf fremde Kinder aufzupassen. Und daß ich meine Mutter beinahe belüge.“
„Ehrlich gesagt“, sagte Marc, „ungefähr so habe ich gedacht. Aber entschuldigen Sie, das geht mich ja nichts an.“
„Vielleicht könnte ich es Ihnen doch erzählen“, sagte ich langsam. „Wenn Sie mir versprechen, es für sich zu behalten. Sonst weiß es niemand außer Mutti. Ich spare nämlich für den Führerschein.“
„Ach, das tun Sie?“ sagte Marc, und das Verständnis leuchtete ihm aus den Augen. „Ja, das kann ich sehr gut verstehen, aber das ist doch eine ehrliche Sache, Moni. Warum hat das ein so großes Geheimnis zu sein? Übrigens, Sie sind noch nicht alt genug, um einen Führerschein zu machen.“
„Nein, eben nicht, aber in einem Jahr, dann bin ich alt genug, und dann möchte ich ihn auch machen.“
„Ja, aber Menschenskind, bis dahin haben Sie bestimmt das Geld für zehn Führerscheine zusammen. Sie brauchen deshalb doch nicht so eisern zu sparen.“
„Vielleicht doch“, sagte ich. „Vielleicht möchte ich noch etwas haben, nicht nur den Führerschein.“
„Aha“, sagte Marc. „Sie wollen natürlich gleich einen Wagen haben.“
Er sagte es so direkt und so offen, daß es mir selbst plötzlich eine natürliche Sache wurde und keine solche Riesensensation mehr, wie es bisher gewesen war. Marc hat es gar nicht als etwas Komisches betrachtet.
„Finden Sie es nicht wahnsinnig von mir?“ fragte ich.
„Wieso wahnsinnig? Das ist doch ein ganz natürlicher Wunsch. Denken Sie, ich wünsche mir nicht auch einen Wagen? Aber bei mir gibt es noch andere Dinge, die viel wichtiger sind.“
Ich wartete. Ich hoffte, daß er jetzt ein bißchen von sich erzählen wollte. Aber direkt fragen mochte ich nun auch nicht danach.
Es war Marc, der eine Frage stellte. „Wie weit sind Sie eigentlich in der Schule, Moni?“
„Wenn alles nach meinem Kochbuch geht, und wenn ich nicht kleben bleibe, dann mache ich in zwei Jahren das Abitur.“
„Und dann?“
„Und dann – ja dann muß ich an einen Beruf denken.“
„Haben Sie schon einen Plan?“
„Und ob ich den habe! Ich will entweder Kindergärtnerin oder vielleicht Fürsorgerin werden. Am allerliebsten möchte ich in einem Kinderheim arbeiten. Wissen Sie, wenn man den Vater so früh verloren hat wie ich – ich war erst sieben, als Vater starb – , dann kann man von Glück sagen, wenn man eine so gute Mutti hat. Und ich habe oft an die Kinder gedacht,
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