Moni träumt vom großen Glück
halb neun Uhr zu Bett gebracht haben, dann wollten wir sehr gern noch zu guten Freunden ausgehen. Aber das ist wohl eine hoffnungslose Sache. Oder was meinen Sie? Wenn ich noch einmal fünfzig Mark zahlen würde?“
„Ich fürchte, Herr Clausen, das wird sehr schwer werden.“
„Ja, ja, das fürchte ich auch. – Na, dann ist nichts zu machen, Fräulein Hasseldorf. – Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest.“
„Vielen Dank, ich Ihnen auch, Herr Clausen! Und wenn es ein andermal sein sollte…“
„Dann wende ich mich an Sie, selbstverständlich.“ Ich radelte nach Hause. Ich dachte – offen gestanden – keine Sekunde mehr an Herrn Clausen und sein Problem. Ich dachte an Marc, und ich dachte an seinen Großvater. Wie war ich froh, daß ich den guten alten Mann kennengelernt hatte!
Als ich nach Haus kam, warf ich das Rad sozusagen in den Keller und lief nach oben.
„Mutti, hör mal, ich muß dir erzählen… Aber was hast du denn, Mutti? Du siehst ganz unglücklich aus. Geht es dir nicht gut?“
„O doch, Moni, aber ich muß dir leider eine sehr große Enttäuschung bereiten.“
„Nanu, – doch nicht etwas mit Weihnachten?“
„Doch, das ist es. Du weißt ja, daß Frau Müller so lieb war, sich bereit zu erklären, meinen Nachtdienst am Heiligen Abend zu übernehmen, und denk dir…“
„Kann sie etwa nicht?“
„Nein, eben, sie kann nicht. Denk dir, ihr Kleiner hat Scharlach bekommen, und damit ist nicht zu spaßen bei einem einjährigen Kind. Unter diesen Umständen will sie natürlich bei dem Kind bleiben und es nicht zur Oma geben, wie sie es eigentlich vorhatte.“
„Ach, Mutti, dann wirst du also doch selber den Nachtdienst machen müssen?“
„Leider, Moni. Ich sehe keinen anderen Ausweg, ich kann ja keinen Menschen bitten, das für mich zu übernehmen. Es war ja ein Glücksfall, daß Frau Müller es überhaupt übernehmen wollte.“
Ich mußte dreimal schwer schlucken. Wie froh war ich gewesen, als Mutti mir vor einer Woche erzählt hatte, daß ihre Kollegin bereit war, diese Nacht für Mutti einzuspringen, damit Mutti mit mir den Heiligen Abend feiern könnte. Ich war bitter enttäuscht. Aber ich durfte es Mutti nicht noch schwerer machen.
„Mutti“, sagte ich, und ich versuchte, meine Stimme recht optimistisch zu machen – ja, ich versuchte sogar ein Lächeln:
„Weißt du, vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Wir machen es uns nachmittags recht gemütlich. Wir werden Kerzen anzünden, wir werden gut essen, und dann kommt die Bescherung. Und wir werden Weihnachtsmusik hören. Weißt du, es wird genauso nett wie sonst. Nur fängt unser Fest etwas früher an.“
„Ja, Moni, natürlich machen wir das, mein Kind. Nur, daß ich dich dann um halb acht verlassen muß.“
Da plötzlich fiel mir etwas ein. Mein Gespräch mit Herrn Clausen hatte ich ganz vergessen. Das war nur eine Nebensache; mein Kopf war ja so voll von anderen Dingen.
„Ich weiß, was ich mache, Mutti!“ Ich kramte in meiner Tasche. Ganz richtig, da war der Zettel mit Clausens Telefonnummer.
„Was hast du denn vor, Moni?“
„Babysitten, Mutti“, sagte ich. „Babysitten bei Clausens. Ich habe ihn gerade getroffen… vor wenigen Minuten. Er wird hochspringen vor Freude, wenn ich ihm sage, daß ich ihnen doch noch am Heiligen Abend helfen kann.“ Das stimmte. Ob er hochsprang, konnte ich am Telefon allerdings nicht sehen, aber er war hell begeistert und versprach wieder ein fürstliches Honorar und selbstverständlich Geld für eine Taxe nach Haus.
„Ja“, sagte Mutti, die das Gespräch mit angehört hatte. „Das ist vielleicht kein dummer Ausweg, Moni. Du hast ja auch Marc im gleichen Haus. Wer weiß, vielleicht leisteter dir für ein Stündchen Gesellschaft, wenn sein Großvater schläft.“
„Das tut er bestimmt, Mutti, und wenn ich zum ersten Mal den Abend nicht mit dir verbringen kann, dann…“ Mutti lächelte: „… dann ist es vielleicht kein anderer Mensch, mit dem du lieber feiern möchtest, als Marc.“ Ich merkte, wie die Röte in meine Wangen schoß.
„Mutti, höre, ich muß dir etwas erzählen.“ Ich holte tief Luft und erzählte von meinem Gespräch mit Marcs Großvater. Jetzt wischte Mutti sich die Augen.
„Moni, wie gut, daß du das Gespräch mit dem alten Mann hattest, und wie bin ich froh, daß du so geantwortet hast. Ja, Moni, wir haben eine Aufgabe, du und ich. Marc fühlt sich wohl bei uns, das merkt man, und wir werden beide versuchen, für ihn in Zukunft unser Heim
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