Moni träumt vom großen Glück
jeglichen Hausarbeiten befreit – sonst muß ich natürlich meinen Teil erledigen – , und ich konnte mich ganz und gar aufs Lernen konzentrieren.
Eines Tages kam ein Brief von Frau Peters. Sie erzählte mir, das Buch sei von einem Verlag angenommen und schon gesetzt worden. Ob ich wohl die Freundlichkeit haben würde, ihr die Arbeit mit der Korrektur abzunehmen? Sie fühlte sich etwas müde, etwas angestrengt nach diesem Frühjahr. Ob ich das vielleicht tun würde gegen eine gebührende Bezahlung?
Ich sagte natürlich sofort zu. Das Geld war mir sehr willkommen, und es machte mir auch einen unheimlichen Spaß, dazusitzen und in deutlichen Druckbuchstaben zu lesen, was ich selbst so mühsam entziffert hatte. Ich hatte das Gefühl, daß ich selbst einen Anteil an dem Buch hätte. In einem Nachschlagebuch fand ich die Korrektur-Zeichen, die lernte ich schnell und konnte so die Korrektur in vernünftiger Weise lesen. Ich hatte ja reichlich Zeit dazu. Es waren Sommerferien und ich fühlte mich oft allein. Mutti hatte ihre Arbeit, und meine Freundinnen waren in den väterlichen Autos überall auf der Europakarte verstreut. Nur Jutta war in der Stadt, und das war sehr nett. Wir gingen oft zusammen zum Baden, und wir machten zusammen Waldspaziergänge. Ich fragte sie, ob sie nicht auch Interesse an einem solchen Job haben könnte, wie ich ihn hatte. Aber Jutta schüttelte den Kopf.
„Nein“, sagte sie, „nicht sonntags. Mutti freut sich immer so sehr auf die Sonntage. Ich möchte sie dann nicht allein lassen und außerdem… Mutti ist sehr beschäftigt, und sie ist auch nicht die kräftigste. Ich möchte doch lieber zu Hause etwas helfen und Mutti so viel wie möglich abnehmen.“
Dann kam wieder ein Brief von Marc. Er erzählte, daß seine Studien ihm einen Heidenspaß machten.
„… und denk Dir“, schrieb Marc, „was für ein Glück ich gehabt habe: Ich durfte mein Zimmer hier bei meinerDirektoren-Familie behalten, obwohl ich nicht mehr Chauffeur bin. Ich habe mich verpflichtet, den Wagen in Ordnung zu halten, ihn zu waschen und so was. Und ab und zu fahre ich dann den Herrn Direktor abends, damit er selbst nicht riskiert, angehalten zu werden und in die Tüte pusten zu müssen. Also führe ich, wie Du verstehst, ein vollkommen alkoholfreies Leben. Das habe ich, nebenbei gesagt, immer getan.
Für das bißchen Autowaschen und Autofahren habe ich also mein Zimmer umsonst und außerdem Frühstück. Dieser goldene Zustand wird leider nur bis Ende des Semesters, also bis Anfang August, dauern. Ich sehe mich schon um nach einem Job für die Semesterferien. Hoffentlich finde ich was. Und vom nächsten Semester an muß ich schon zusehen, daß ich irgendwo eine Bude finde.
So, Moni, das war sehr viel über mich. Aber Du fragst mich ja kurz und klein in Deinem Brief, und darauf muß ich antworten. Das ist übrigens ein neues merkwürdiges Gefühl. Ich bin es nicht gewohnt, daß sich jemand so viel für mich interessiert.
Weißt Du noch, Moni, wie Du mir damals erzähltest, daß Du gern Fürsorgerin werden möchtest oder etwas für Kinder tun, in einem Kinderheim arbeiten? Ist das noch Dein fester Entschluß? Ich kann Dich so gut verstehen in diesem Punkt. Weißt Du, das ist mit ein Grund, ein schwerwiegender Grund, weshalb ich Volkswirtschaft studiere. Ich hoffe nämlich, daß ich dann mit der Zeit in das Sozialministerium kommen und dort vielleicht etwas für die Stiefkinder der Gesellschaft tun kann.
Grüße Deine liebe Mutter sehr herzlich. Ich werde schon wieder von mir hören lassen. Ich weiß noch nicht, wie es mit mir wird ab August, aber ich werde Dich schon auf dem laufenden halten.
Viele herzliche Grüße!
Dein Freund Marc.“
Nach diesem Brief war ich so strahlender Laune, daß ich die ganze traurige Geschichte mit Walter und meinem verlorenen Geld beinahe vergessen hätte. Ich würde es schon schaffen. Ich würde mich finanziell wieder hochkrabbeln.
Wenn Marc es schaffen konnte, dann konnte ich es auch. Das wollte ich mir selbst und ihm beweisen.
Ich war froh, als meine Chefin vom Café Elmenfrieden mich fragte, ob ich gewillt wäre, in den Ferien auch freitags und Sonnabends bei ihr zu arbeiten. Bei diesem schönen Sommerwetter war das Café jedes Wochenende bis auf den letzten Platz besetzt. Die Arbeit strengte mich nicht mehr so sehr an: Erstens war es eine Gewohnheit geworden, und zweitens fühlte ich mich munter und gut aufgelegt – jetzt, da ich keine Schularbeiten zu machen hatte.
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