Monkeewrench 04 - Memento
die Decke bis zum Kinn hinaufzuziehen.
Als sie die Augen zumachte, kamen ihr noch einmal Sampsons Worte in den Sinn: Wir können heute Nacht gut schlafen.
Unter ihr, im Keller, blieb ein weiteres Paar Augen offen. Sie sahen zu den knarzenden Dielenböden hinauf, während Iris durch das Haus ging, und warteten darauf, dass es still wurde.
KAPITEL 23
Iris konnte nie genau sagen, wovon sie des Nachts aufwachte, erst recht nicht in diesem Haus. Eichhörnchen, die auf dem Dachboden mit ihrem Nussvorrat für den Winter kegelten, Mäuse in der Wand, die die letzten Reste der hundert Jahre alten Zeitungen zerfetzten, die man damals als Dämmmaterial verwendet hatte, die Zweige eines wild wuchernden Baumes, die an der Hauswand entlang schabten, und einmal sogar ein Braunbär, der sich kurz aus dem Winterschlaf erhoben hatte, um ihren Grill nach Fleischresten vom Sommer zu durchsuchen - man wusste nie, was es diesmal sein würde.
Heute durchlebte sie zudem im Traum noch einmal den ganzen Tag, vom trägen Aufheulen der halb leeren Batterie am Morgen bis zum Knirschen des Schnees unter ihren Stiefeln, als sie am Abend der Spur des Gasmanns gefolgt war. Sie sah Steve Doyles totes und Julie Albrights zerstörtes Gesicht vor sich, und das alles war einem erholsamen Schlaf nicht gerade förderlich.
Sie drehte den Kopf nach rechts, um die Anzeige des Digitalweckers zu entziffern. Drei Uhr. Zeit genug, sich noch ein paar Stunden lang unter die Daunendecke zu kuscheln, bevor sie die nackten Füße wieder auf den kalten Boden setzen und einen neuen Tag beginnen musste. Sie schloss die Augen und nahm sich im Wegdämmern vor, die Heizung in Zukunft nachts nicht mehr so weit herunterzudrehen. Es war einfach verdammt kalt.
Manche Geräusche stören nur den Schlaf. Andere reißen einen aus schwarzen Tiefen empor wie einen Fisch an der Angel, lassen die Augen aufspringen, das Herz schneller schlagen. War das ein echtes Geräusch gewesen oder eines aus dem Traum? Auch das konnte man nie sagen, und so blieb man liegen, hielt den Atem an und lauschte angestrengt, wartete darauf, dass man es noch einmal hörte, und fürchtete sich gleichzeitig davor. Vor allem in diesem Fall, denn das Geräusch, das Iris gehört hatte, war der Schrei eines wilden Tieres.
Sie zählte ihre eigenen Atemzüge und stellte fest, dass sie viel zu schnell waren, als versuchten sie, mit ihrem Herzschlag Schritt zu halten. Als sie bei fünfzehn angekommen war, hörte sie es erneut und setzte sich kerzengerade im Bett auf.
War das Puck? Irgendwie klang es wie ihre alte Katze, und dann auch wieder nicht. Es war unglaublich laut, ein langgezogenes, klagendes Jaulen, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Normalerweise maunzte Puck nachts nicht einmal. Ein ähnliches Geräusch hatte sie nur von sich gegeben, als Mark ihr einmal versehentlich den Schwanz in der Tür eingeklemmt hatte ...
Keine Sekunde später war Iris schon aus dem Bett, rannte die Treppe hinunter und knipste im Laufen die Lampen an. Ihre Gedanken überholten ihre Beine und ihr Herz, malten sich die grauenvollsten Dinge aus, die der alten Katze zugestoßen sein konnten, überlegten, wo sie die Notrufnummer des Tierarztes notiert hatte und ob der verdammte Wagen wohl anspringen würde, damit sie das Tier in die Klinik fahren konnte, bevor es den obskuren Verletzungen erlag, die es sich offenbar zugezogen hatte ... Dann war sie in der Küche und blieb wie angewurzelt stehen.
Die Hintertür stand sperrangelweit offen, ein eisiger Wind fuhr durch die Fliegengittertür herein und trug den Winter ins Haus. Und draußen auf der Veranda saß Puck und schrie wie am Spieß.
Wie sich herausstellte, war Iris sehr viel mehr Katzenbesitzerin als Polizistin. Sie hatte die Fliegengittertür längst aufgerissen, um Puck hereinzulassen, ehe sie über eventuelle Fingerabdrücke auf dem Türgriff nachdachte. Erst als das wütende, schwarze Fellknäuel durch die Küche und dann sonstwohin geschossen war, um sich aufzuwärmen, wurde ihr klar, dass sie den Griff nicht hätte anfassen dürfen. Und eine weitere Sekunde später traf sie die Erkenntnis, was dieser Gedanke eigentlich bedeutete.
Es war jemand hier gewesen. Hier im Haus. Und dieser Jemand war vielleicht immer noch da.
Eigentlich hatte Iris geglaubt, an diesem Tag bereits Furcht empfunden zu haben: vor der Dunkelheit, vor der Scheune und dann vor den Fußspuren. Doch was waren das für dumme, kleine Ängste gewesen, und wie albern kamen sie ihr jetzt
Weitere Kostenlose Bücher