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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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übersteigen? Das hat es seit des seligen Bundesfinanzministers Julius Schäffer Zeiten Anfang der fünfziger Jahre nicht mehr gegeben. Eine historische Tat, wenn sie gelingt. Die Medien applaudieren ob der Kühnheit des Vorhabens. Die Fraktion schweigt skeptisch. Specht jedoch ist guter Dinge. Haut es hin, ist er der Größte. Verfehlt er die magische Zahl Null, lassen sich genügend Gründe finden, die nicht vorhersehbar waren: überhöhte Tarifabschlüsse, unvermeidliche Transferleistungen im Rahmen des Finanzausgleichs, Investitionsbedürfnisse zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.
    Auf jeden Fall hat man jetzt erst einmal ein Druckmittel, um Begehrlichkeiten abzuwehren – der CDU-Fraktion, die nach einem Mindestmaß an politischem Handlungsspielraum lechzt, und auch der gefräßigen Beamtenschaft gegenüber. Die hat sich bei der Landtagswahl sowieso schäbig verhalten. Ein Großteil der Stimmenverluste geht auf ihr Konto. Dafür dürfen die Staatsdiener jetzt länger auf den Sprossen der Karriereleiter ausruhen. Alles hat seinen Preis.
    Auch Meppens, der ewige Verlierer, hat seinen Preis bezahlt. Nachdem die SPD von den Einbußen der Christdemokraten nicht profitieren konnte, sondern im Gegenteil noch näher an die Dreißigprozent-Angstgrenze heran gerutscht ist, hat er alle seine Ämter zur Verfügung gestellt. Der Abgang vollzog sich schnell, konsequent und leise.
    Fröhlich hielten dagegen die Grünen Einzug ins Parlament. Mit Latzhosen, Jeans und Turnschuhen ärgerten sie den konservativen Landtagspräsidenten schon bei der konstituierenden Sitzung. Dem Ministerpräsidenten überreichten sie zur Feier des Tages einen Kaktus. Spechts Augen leuchteten. Der Gag gefiel ihm.
    Gundelach bestellt einen Kaffee.
    Gut, denkt er, daß die Wahl vorbei ist. Man tanzte auf dünnem Seil. Specht konnte zwar viele Versprechungen vorweisen, aber nur wenige habhafte Erfolge. Die Öffentlichkeitsarbeit mußte das Defizit ausgleichen. Die Pressestelle druckte Broschüren wie nie zuvor. Und auch die Parteiarbeit wurde bis zur demokratischen Schmerzgrenze von Monrepos aus gesteuert. Es ging nicht anders. Doch dabei unterliefen Flüchtigkeitsfehler. Ein Strategievermerk Gundelachs über den Einsatz von Werbematerialien und Argumentationshilfen für die CDU gelangte in die Hände der Opposition. Es blieb, Gott sei Dank, ohne Folgen. Auch eine Klage der SPD vor dem Verfassungsgerichtshof wegen mißbräuchlicher Verwendung von Steuergeldern zu parteipolitischen Zwecken verlief glimpflich. Das Gericht rügte nur wenige Publikationen und erklärte das Schriftstück aus der Staatskanzlei für unbeachtlich.
    In Zukunft, sagte Specht, müssen wir vorsichtiger sein. Am eifrigsten nickte Gustav Kalterer; ihm geht Gundelachs freundschaftliches Verhältnis zu Willi Pörthner, das sich im Lauf der Zusammenarbeit eingestellt hat, ohnehin gegen den Strich. Und außerdem wird ihm zuviel geschrieben, was hinterher in den Reißwolf kommt. Kalterer telefoniert lieber. Wenn’s sein muß, anonym.
    Doch warum jetzt an ihn und sein lautloses Schattentreiben denken? Er ist wohltuend weit weg.
    Henschke erhebt sich und strebt ins Erster-Klasse-Abteil. Nun wird es auch für Gundelach Zeit. Die Rangfolge zwischen ihnen ist noch nicht ausgekämpft. Als Persönlicher Referent hat Hans Henschke natürlich den Karrierevorteil, ständig in der Nähe des Chefs zu sein. Ein Zuckerschlecken, allerdings, ist es nicht; am wenigsten morgens, wenn ›der Alte‹ unausgeschlafen seine Launen austobt. Dafür wird man als PR schneller befördert. Henschke, fünfunddreißigjährig, hat es schon zum Ministerialrat gebracht.
    Bei der politischen Beratung aber spielt er kaum eine Rolle. Da wacht schon Tom Wiener darüber, der sich ab und zu über Henschkes Versuche, mit schrillem: Herr Specht! Herr Specht! Gehör zu finden, mokiert. Auch der Ministerpräsident achtet darauf, daß niemand die Rollen vertauscht. Divide et impera . Einstweilen ist der Lange noch für Terminplanung und Koffertragen zuständig. Später mag sich das wohl ändern.
    Gundelach dagegen ist der Mann fürs Grundsätzliche. Denken und schreiben, über den Tag hinaus. Nach der Wahl ist die Pressestelle umbenannt worden. Sie heißt jetzt ›Abteilung Grundsatz, Planung und Information‹. Eine Wortschöpfung Wieners, die Spechts neuem Ehrgeiz, als politischer Vordenker wahrgenommen zu werden, entgegenkommt. Voriges Jahr wurde er ins Präsidium der Bundes-CDU gewählt. Seither interessieren sich auch

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