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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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nichts.
    Dann in verrückter, klappernder, quietschender, hupender Eskorte zum Hotel. Durch die offenen Autofenster quoll ein unaussprechlich süß und fremd duftender Nachtwind. Palmen, Neonlicht, Menschentrauben, Baracken, Hütten, Reklameschilder, aberwitzig vollgestopfte Busse, mitternächtliches Gewimmel wie daheim am Tage nicht. Der leuchtende Hotelkoloß. Die langweilig-standardisierte Enklave des Entrees.
    Am nächsten Tag absolvierten sie die politischen Gespräche. Sehr ergiebig waren sie nicht. Was konnte das Land von einer Zucker, Rum und Bauxit exportierenden Insel in der Karibik auch wohl erwarten?
    Immerhin, der neue konservative Premier Seaga empfing die Versicherung der Wertschätzung seiner christdemokratischen Schwesterpartei im fernen Westdeutschland aus kompetentem Stellvertretermund. Der Ministerpräsident seinerseits informierte sich über die fortdauernde Präsenz sowjetischer Soldaten auf Kuba und teilte Seaga und dessen Außenminister Shearer mit, daß er – in Übereinstimmung mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – das neue Karibikprogramm der USA voll unterstütze. Die jamaikanischen Spitzenpolitiker werteten dies als ermutigendes Zeichen internationaler Solidarität, und noch ermutigter waren sie, als sie erfuhren, daß Specht im weiteren Verlauf der Reise diese Position auch gegenüber dem stellvertretenden amerikanischen Außenminister Stoessel und dem neuen UN-Generalsekretär Perez de Cuellar deutlich machen wollte.
    Abends lud der Botschafter zum obligaten Empfang in seine Residenz. Unter dem Kreuz des Südens, inmitten einer betörenden Tropenflora, vernahm Gundelach, welch unsägliche Mühen dem Botschafterehepaar die Ersatzteilbeschaffung für einen defekten Kühlschrank bereitete; von der kaputten Wasserpumpe im Mercedes ganz zu schweigen. Das Amt, klagte die verhärmt wirkende Gastgeberin, läßt seine kleinen Botschaften im Stich. Die großen in den europäischen Hauptstädten, in Moskau und Washington kriegen alles! Derweil wehte von fern ein Potpourri aus Reggaerhythmen, Hupen und Gelächter herüber und überspülte Mozarts Londronische Nachtmusiken.
    Es ist unmöglich, sagte die Dame des Hauses bitter, hier auf Dauer zu leben.
    Am Morgen brachen sie bei leichtem Regen auf, um die Insel zu erkunden. Quer durchs Gebirge ging die Fahrt, vorbei an blutroten Seen, in die Abraum aus der Bauxitgewinnung gekippt worden war. In den Tälern schlängelte sich die schmale Straße entlang den dunklen Windungen von Flüssen und Bächen, an deren Ufern Frauen mit Kindern hockten und Wäsche wuschen. Der Urwald reichte bis fast ans Herz. Wo er am dichtesten austrieb, erzählte der einheimische Führer, lebten versprengte Nachfahren europäischer Matrosen, blond und hellhäutig, durch Inzucht und Einsamkeit verwirrt und mißtrauisch, von Negern und Mulatten gefürchtet und gemieden. Gegen Mittag erreichten sie Montego Bay an der Nordküste. Auf der Terrasse eines im Landhausstil gebauten amerikanischen Hotels nahmen sie ein feudales, mit Früchten garniertes Essen ein. Specht unterhielt sich, assistiert von Dr. Kramny, mit texanischen Hotelgästen und erklärte ihnen die Vorzüge des Investitionsstandortes Deutschland gegenüber Japan. Wiener, Henschke und Gundelach schwammen in der sanften Dünung des grün fluoreszierenden Meeres.
    Gundelach drehte sich auf den Rücken und dachte an Benny. Jetzt hätte er gerne mit seinem Sohn im warmen Sand eine Burg gebaut.
    Als sie aus den Bergen wieder ins Zuckerrohr der Ebene eintauchten, versank hinter ihnen schon die Sonne. Der Führer beschrieb die alljährlichen Brandrodungen und genierte sich für die vielen in Hängematten oder auf der Erde schlafenden Männer am Straßenrand.
    Unter der neuen Regierung wird alles besser, versprach er. More competition! More efficiency! Offenbar hatte man ihn gut vorbereitet.
    Jungs, lachte Tom Wiener, den nehmen wir mit. Das ist der erste Schwarze, der Oskar begriffen hat!
    Specht fuhr im Mercedes voraus. Staatsmännisch, mit Stander.
    Frau Bressheim hatte den Ministerpräsidenten und einen kleinen Kreis deutscher Geschäftsleute zum Dinner eingeladen. Gundelach war nicht dabei. Er beschloß, irgendwo in Kingston ein Bier trinken zu gehen. Werner Kraft, der mitgereiste, für Spechts Sicherheit verantwortliche Polizeibeamte leistete ihm Gesellschaft. Gemeinsam nahmen sie ein Taxi und ließen sich im lauten, üppigen Strom eines unglaublich chaotischen Verkehrs treiben.
    An einer Ampel lachte aus dem neben

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