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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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ihnen wartenden Auto eine Mulattin herüber. Gundelach lächelte auch; am meisten gefiel ihm das Weiß ihrer Augen. Von da an folgte der Taxichauffeur dem fremden Fahrzeug, ohne auf Fragen oder Bitten seiner Gäste zu achten. Die Lichter der Stadt wurden spärlicher, die Häuser klein und verwahrlost, die Straßen schmutzig, ohne Bürgersteige und Asphalt. An Wänden und Mauern lungerten schattenhafte Gestalten. Eine beklemmende Stille lag über dem Viertel.
    Das sieht nicht gut aus! sagte der junge Polizist. Der schleppt uns ab und verschwindet.
    Genauso kam es. Auf einem lehmigen, nur vom matten Widerschein der Sterne umrissenen Platz hielten die Wagen. Noch während das Taxi ausrollte, stand die Frau neben der Tür und zog Gundelach heraus. Kraft wurde vom Fahrer aufgefordert auszusteigen, dann brauste das Auto davon.
    Und wir Idioten haben ihn schon am Anfang bezahlt! sagte Gundelach bang. Man hatte ihnen in der Botschaft geraten, den Fahrpreis sofort auszuhandeln.
    Die Mulattin ließ sich auf den Rücksitz ihres Wagens fallen, zog den schwarzen Lederrock hoch und sagte im Fallen mit kehliger Stimme: Ten US-Dollarrr forr each one! Dann begann sie, die Bluse aufzuknöpfen.
    No, sagte Gundelach. We have no money.
    And we do not want to fuck, ergänzte Werner Kraft mit belegter Stimme.
    Ein paar Sekunden lang verharrte die Prostituierte in ihrer gespreizten Arbeitshaltung, dann schloß sie die Knie und hob den Kopf.
    What ye’re saying, babee? fragte sie ungläubig.
    Die Beamten wiederholten ihre Konversation.
    Wie eine Tarantel fuhr die Hure aus dem Fonds auf und schrie, daß es die Nacht zerschnitt. Im Nu waren Gundelach und Kraft von acht oder zehn Männern umringt. Sie standen einfach da, ohne daß man sie hätte heranlaufen sehen. Der erste packte Gundelach am Arm.
    Ach du große Scheiße, sagte Kraft. Jetzt wird’s eng.
    Get lost! zischte Gundelach. Damned rats! We are bodyguards!
    Here is my colt, sagte Kraft und klopfte auf seine Jacke.
    An ambassador’s bodyguards, ergänzte Gundelach. The first one to touch me is a dead man!
    We shoot without warning, bestätigte Kraft und führte die Hand zum Gürtel.
    Schweigend, lauernd standen sie sich gegenüber. Dann öffnete sich der Kreis. Schritt für Schritt, ohne sich umzudrehen, gingen Kraft und Gundelach zurück. Die Jamaikaner folgten ihnen nicht.
    Sie mußten elend weit laufen und wußten sich von tausend versteckten Augen in lichtlosen Nischen und Höfen beobachtet, ehe sie wieder in eine beleuchtete Straße fanden. Das erste Auto, das vorbeifuhr, erschien ihnen wie ein Rettungsboot.
    Mein lieber Mann, sagte Gundelach schließlich. Wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, daß Sie tatsächlich eine Knarre dabei haben – ich wäre gestorben vor Angst.
    Sie sind ein Witzbold, erwiderte Kraft. Meine Pistole ist bei der Flughafenverwaltung deponiert. Man darf keine Waffen in andere Länder einführen. Wußten Sie das nicht?
    Gundelach mußte sich an eine Laterne anlehnen.
    Kingston, sagte der Presseattaché, dem Gundelach beim Hotelfrühstück sein Abenteuer beichtete, ist die Stadt mit der höchsten Mordrate der Welt. Weit vor Miami und New York. Daß Sie da heil herausgekommen sind, ist eigentlich ganz unwahrscheinlich. Vermutlich haben die Typen eine Falle gewittert, weil sich Weiße niemals, selbst am Tage nicht, in die Slums trauen. An Ihrer famosen Bodyguard-Story kann’s jedenfalls nicht gelegen haben.
    Daraufhin bestellte Gundelach für den Polizisten und sich eine Flasche Champagner. Noch am Nachmittag, als sie ins Flugzeug nach Houston stiegen, schwankte er wie Zuckerrohr im Wind.
    Houston empfing sie mit einem Wald von Kränen. Die Stadt lag im Baufieber und barst vor Selbstbewußtsein.
    Specht redete vor der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer und pries sein Land als das Texas Deutschlands: Während anderswo über neue Vorschriften nachgedacht werde, planten ›seine‹ Unternehmer neue Produkte. Und ließen sich von all den überflüssigen Diskussionen über den Nato-Nachrüstungsbeschluß überhaupt nicht beeindrucken. Dazu hätten sie auch gar keine Zeit, denn sie müßten investieren und exportieren. Weshalb der Handelssaldo ›seines‹ Landes mit den USA positiv sei, im Unterschied zur übrigen Bundesrepublik.
    Er wisse sich auch mit Präsident Reagan absolut darin einig, sagte er, daß Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen im staatlichen Bereich das beste Mittel seien, um die Wirtschaft anzukurbeln. Über die zweite Kammer, den

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