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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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zwischen Bonn und Washington Bescheid wußte und die fröhlich-naiven Pinselstriche, mit denen der Ministerpräsident seine heile Unternehmerwelt ausmalte, eher skeptisch betrachtete.
    Specht mußte zum Erdgasröhrengeschäft mit der Sowjetunion Stellung beziehen, ebenso zur Polenkrise, und er geriet dabei insofern in eine schwierige Lage, als sich die Haltung der Union in beiden Fällen von der offiziellen Außenpolitik unterschied.
    Schmidt und Genscher wollten sich nämlich weder amerikanischen Sanktionen gegen General Jaruzelski anschließen, der in Polen das Kriegsrecht verhängt und ›Solidarnosč‹-Gewerkschafter inhaftiert hatte, noch waren sie bereit, den gerade ausgehandelten Erdgaslieferungsvertrag mit der UdSSR zu stornieren. Die Union dagegen forderte Bündnistreue gegenüber den USA. Insbesondere Franz Josef Strauß erklärte das Problem zum Scheideweg deutscher Politik: hier die Allianz, dort ostpolitisches Abenteurertum.
    Strauß als CSU-Vorsitzender konnte es sich leisten, diese Position auch im Ausland zu vertreten. Specht dagegen sah sich an die Richtlinien deutscher Außenpolitik gebunden. Andererseits war klar, daß er mit einem bloßen Nachbeten des sattsam bekannten deutsch-amerikanischen Konflikts bei seinen texanischen Zuhörern keinen Blumentopf gewinnen würde. Also verließ er sein frei floatendes Englisch (›the problems are too difficult, so let me fall back in my home language‹) und überschwemmte den vor Verzweiflung schwitzenden Dr. Kramny mit einer Flut komplizierter Dreiviertelsätze, die letztlich in ein kraftvolles Sowohl-als-auch unter generellem Bündnisvorbehalt bei Wahrung berechtigter Eigenbelange mündeten.
    Die Mehrzahl der etwas verunsicherten Versammlungsteilnehmer war wohl der Meinung, alle Unklarheiten den mangelnden Übersetzungskünsten des ›interpreter‹ zuschreiben zu müssen. Der haderte noch abends, beim Dinner im Doctor’s Club, mit seinem Schicksal.
    Wie, fragte er Gundelach düster, soll ich Spechts Gedankenlabyrinth in logisches Englisch fassen, wenn es sich schon auf deutsch chaotisch anhört?
    Gundelach empfahl Dr. Kramny, sich die Sache nicht zu Herzen zu nehmen und statt dessen dem vorzüglichen Essen und den französischen und kalifornischen Weinen zuzusprechen. Doch im Innern wußte er, daß dies Kramnys erste und letzte Reise mit dem Ministerpräsidenten sein würde.
    Im Unterschied zu Houston gab man sich in Dallas überaus kultiviert. Der Doctor’s Club im achtzehnten Stock eines Hochhauses war das Refugium der Bank-, Öl- und Immobilienelite der Stadt, die sich in altenglischem Mobiliar der europäischen Vorfahren entsann, die man hatte oder auch nicht. Auf das südtexanische Establishment sah man dagegen wie auf eine Horde neureicher Wilder herab.
    Der Stolz der Clubmitglieder waren Tausende Flaschen französischer, italienischer und kalifornischer Weine. Auf Holzgestellen gelagert, leisteten sie zugleich als Raumteiler zwischen den Tischen und Sitzgruppen nützliche Dienste. Vor jedem Gang des opulenten Menues präsentierte ein livrierter Butler mit weißen Handschuhen den nachfolgenden Wein, indem er eine Triangel schlug und Herkunft, Lage und Alter des Tropfens mit der Würde eines Senatspräsidenten verkündete.
    Gundelach hatte erneut Anlaß, sich zu wundern. Der Ton der Triangel aber klang noch lange in ihm nach.
    Nächste Station der Reise war Indianapolis. Dort wurden sie gleich am Flughafen von dem deutschstämmigen Generalvertreter der Mercedes-Benz AG abgeholt, und Oskar Specht sah sich in seiner Ansicht bestätigt, daß man im Vergleich zum Organisationstalent eines erfolgreichen Geschäftsmannes sämtliche beamteten Dilettanten des Auswärtigen Amtes vergessen konnte. Ständig waren mehrere Limousinen in Bereitschaft, um allen Wünschen, die seitens der Delegation geäußert wurden, auf der Stelle nachkommen zu können. Auch für den Workshop, den das Wirtschaftsministerium vorbereitet hatte, war der Autokonzern im Vorfeld ungemein rührig gewesen. Einladungen und werbende Schreiben gingen an die weitverzweigte, einflußreiche Klientel der Untertürkheimer im ganzen Mittelwesten.
    Gleich nach der Ankunft führte sie der Manager ins Zentrum der Stadt. Im Schnittpunkt der großen Ost-West- und Nord-Süd-Transversalen, von dem aus einst die Trecks der Pioniere aufgebrochen waren, leuchtete der Stern aus Germany.
    Specht war angesichts der vielen Geschäftsleute und lokalen Politiker, die sich auf dem abendlichen Empfang des

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