Monrepos oder die Kaelte der Macht
solange er sein Amt in der Staatskanzlei versah, nie ein Widerwort oder der Versuch, sich in die Geschäfte der Grundsatz- und Presseabteilung einzumischen, zu verzeichnen. Er fand, statt dessen, immer wieder Anlaß, seiner Begeisterung über die ›einfach glänzenden‹ Ideen Spechts und die ›tollen Burschen‹ um Tom Wiener Ausdruck zu geben. Und er kannte jede Menge Leute, die ihn in seiner Meinung bestärkten und dringlichst baten, diese Einschätzung mit herzlichen Grüßen an die Betroffenen weiterzuleiten.
Da Drautz aber wußte, daß sich auf Dauer von Beifallsbekundungen und Grußbotschaften politisch nicht leben läßt, pflegte er, als Sohn donaudeutscher Eltern, mit besonderer Intensität die Vertriebenenlobby und schaffte es, Jahre später zum Vertriebenenbeauftragten der Landesregierung bestellt zu werden. Damit war seine politische Zukunft gegen die Wechselfälle Spechtscher Launen gesichert.
Nach dem sozial- und entwicklungspolitischen Zwischenspiel, das seinen Zweck erfüllt hatte, widmete sich Oskar Specht mit Vehemenz seinem Lieblingsthema, einer progressiv gestaltenden Technologie- und Industriepolitik.
Aus dem Rinnsal der Untersteiner Gespräche war ein breiter Strom geworden, der sich seinen Weg in die Landespolitik bahnte. In der Tat war es frappierend, wie dürftig und schwerfällig die Kontakte zwischen Hochschulforschung und Wirtschaft bisher verlaufen waren und in welchem Maße es an einer projektbezogenen Zusammenarbeit der zuständigen Ministerien gemangelt hatte.
Die Wissenschaftler und Unternehmer, die sich da im verschlafenen Untersteiner Tal versammelten, begegneten einander wie Angehörige zweier Kulturen, die zu ihrem Erstaunen feststellten, daß sie sich in derselben Sprache verständigen konnten. Es bedurfte nur eines Moderators, der ihnen die Angst nahm, sich in die kommerziellen oder akademischen Sperrbezirke des Gegenüber zu verirren. Ihre eigentlichen politischen Mentoren, der Wissenschafts- und der Wirtschaftsminister, konnten und wollten diese Scheu jedoch so wenig aus dem Weg räumen wie Geistliche die Schwelle zum Konfessionswechsel.
Specht aber, nachdem er die auf den Mann an der Spitze ausgerichtete Politikergläubigkeit beider Gruppierungen erkannt und gekostet hatte, begriff die darin schlummernde Chance virtuos. Er bestellte sich selbst zum obersten ökonomisch-technischen Zukunftskoordinator, schuf außerhalb von Verwaltung und Parlament agierende Expertengremien und machte sich damit in zentralen politischen Gestaltungsbereichen (Gestaltung wurde sein neuer Lieblingsbegriff) vom verhaßten bürokratischen Herrschaftswissen unabhängig.
Im nächsten Schritt verlagerte er die Steuerungs- und Förderkompetenz auf privatwirtschaftlich organisierte Stiftungen und Gesellschaften mit mehrheitlicher Landesbeteiligung, deren personelle Zusammensetzung er persönlich überwachte; und in der weiteren Folge band er die landeseigene Kreditbank, die bis dahin ein verträumtes Schattendasein geführt hatte, in die Finanzierung der wirtschaftsnahen Forschungsinfrastruktur, die ihm vorschwebte, ein.
Ehe sich die Minister und Abgeordneten versahen, waren sie des Einflusses auf ein Kernstück der Landesentwicklung beraubt. Der Vorstand der Landes-GmbH saß auf Schloß Monrepos. Doch außer den Grünen, denen in der Wirtschaftspolitik niemand Beachtung schenkte, und einigen Kabinettsmitgliedern, die sich still ergaben, merkte es zunächst keiner.
Das war nun, bei Gott, auch für Gundelach ein pionierhaftes, elektrisierendes Lebensgefühl! Plötzlich bekam Macht, dieses immer nur in den Händen und Augen anderer glitzernde Un-Ding, reale Gestalt, wurde einem selbst zugemessen, war in einem drinnen, hatte sich vom grimmigen Objekt zum köstlichen Subjekt gewandelt. Woran man die Metamorphose erkannte? Nein, nicht an dem, was man tat; so viel hatte sich da nicht verändert. Wen man traf, wer einen treffen wollte, wozu man eingeladen, wie einem begegnet wurde – das waren die untrüglichen Insignien des Zugewinns!
Drei Kommissionen, in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft, vereinten alles, was Geist, Geld und gute Beziehungen im Lande besaß. Die Rundfunkanstalten, die Telekommunikationskonzerne, Computerhersteller, Maschinenbauer, Daimler Benz, Industrie- und Handelskammern, die erste Garde der Informatikwissenschaft – sie alle drängten in die exklusiven Zirkel der Forschungskommission, der Außenwirtschafts- und der Medienkommission, witterten Prestige, witterten Aufträge,
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