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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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von Specht persönlich beauftragt, nicht weiter vor als bis in die Nebengemächer der königlichen Suite, wo ihn eine Corona hübscher Französinnen neugierig musterte. Auch eine Immobilienbesichtigung, die er mit dem übellaunigen, schweigsamen Haushofmeister des Prinzen im Cadillac unternahm, weil Seine Königliche Hoheit den Wunsch nach einem eigenen Dach überm Kopf geäußert hatte, verlief ergebnislos. Zehn Schlafzimmer mit dazugehörigen Bädern, wie vom Prinzen verlangt, boten weder eine leerstehende frühere Krupp-Villa noch ein Schlößchen, das Specht einst für die ›Neue Heimat‹ erworben hatte. Es stand seit Jahren leer und hätte durch den königlichen Erwerber einem späten sozialen Zweck zugeführt werden können. Doch der Prinz sah seine Zukunft weder dort noch auf einem langweiligen Kongreß.
    Vergleichsweise einfach war es demgegenüber, den neuen Postminister Schwarz-Schilling zur Teilnahme zu bewegen. Und im Gasthaus einer beschaulichen Kleinstadt wurde Gundelach mit einem Fachhochschulprofessor handelseinig, der durch unkonventionelle Modelle wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit mittelständischen Betrieben auf sich aufmerksam gemacht hatte. Professor Löwe wurde noch vor Kongreßbeginn zum ersten Regierungsbeauftragten für Technologietransfer in der Bundesrepublik bestellt – ein vorweggenommenes, lebendes Beispiel dessen, was man in der großen Linie anstrebte, sozusagen.
    Nachdem die Technischen Universitäten und die Wirtschaft des Landes sich schließlich noch bereitfanden, eine begleitende Ausstellung neuester Technologien zu organisieren, stand das Konzept des Kongresses.
    Gundelach schrieb für Specht eine visionäre, aufputschende Rede (nach seiner Ansicht die beste, die er jemals zuwege gebracht hatte), leitete in einem eigenen Kongreßbüro den Ablauf der zweitägigen, vor fast tausend Zuhörern planmäßig und präzise abrollenden Mammutveranstaltung, empfing bei einem Glas Sekt einen der seltenen Glückwünsche des Ministerpräsidenten und legte sich zu Weihnachten 1982 erschöpft und mit fiebriger Grippe ins Bett.
    Jetzt, hatte Oskar Specht beim zweiten Schluck Sekt gesagt, bewerben wir uns bei Helmut Kohl um die Ausrichtung des nächsten EG-Gipfels im Sommer dreiundachtzig. Kohl ist ab Januar Ratspräsident, er kann den Tagungsort bestimmen. Eine bessere Visitenkarte als wir hat niemand. Und Specht bekam den EG-Gipfel.
    Ach ja, das Thema Solidarität. Die Minister und Staatssekretäre spendeten ihr Weihnachtsgeld an eine gemeinnützige Hilfsorganisation. Die Beamten dagegen pfiffen auf Spechts Appell, dem guten Beispiel zu folgen. Nicht einen Pfennig rückten sie heraus, um neue Stellen für arbeitslose Junglehrer zu schaffen.
    Zäh und widerborstig verharrten sie in ihrer alten, engen Welt.
    Honoris causa
    Sechs Jahre war es her, daß Bernhard Gundelach zum ersten Mal seinen Fuß über die Schwelle des Schlosses Monrepos gesetzt hatte. Sechs Jahre! Das war eine lange, eine kaum glaubliche Zeitspanne. Inzwischen gehörte er zu den dienstältesten Wegbegleitern des Ministerpräsidenten – mit dreiunddreißig Lebensjahren. War das der Grund, warum er manchmal mitten in der Arbeit, von Unruhe ergriffen, aufstand und in den Park hinausging, als müsse er sich vergewissern, daß die kiesbestreuten Wege noch dieselben waren wie einst?
    Reden konnte er darüber mit niemandem. Den neuen, aus anderen Behörden hierher versetzten Kollegen galt er als Autorität. Einer, der Zugang zum Chef hatte wie sonst nur noch Tom Wiener. Der auf unerklärliche Weise wußte oder ahnte, was Specht dachte, was ihn bewegte und antrieb. Dem es gegeben war, das Mosaikhafte Spechtscher Ideen wenigstens einigermaßen zum Gesamtbild zu ordnen. Wiener, der es sicher auch zu erklären gewußt hätte, bevorzugte die Darstellung nach außen; er begleitete Specht fast überall hin. So hatte es sich eingespielt.
    Breisingers Mannschaft aber war nun auch im zweiten und dritten Glied ausgewechselt. Müller-Prellwitz, der Minister, Bertsch und Reck, die Ministerialdirektoren, selbst Dr. Brendel in seinem Rechnungshofsrefugium – sie zogen ihre früheren Vertrauten nach oder gewährten denen, die es unter der herrischen, hektischen Fuchtel Spechts nicht mehr aushielten, verständnisvolle Aufnahme. Sogar der nuschelnde, unbegrenzt duldsam wirkende Ministerialrat Bauer war weg. Er betreute das Kirchenreferat im Kultusministerium. Auch Schieborn bereitete seinen Absprung vor. Er bastelte an einem Landesmediengesetz

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