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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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gehandelt haben mochte. Also gelte ich doch als unsicherer Kantonist! dachte er bitter und fühlte die Freude über die gelungene erste Pressearbeit gekränktem Stolz weichen. Renft soll keine Gelegenheit erhalten, sich mit einer Beschwerde oder mit Bedenken an den Ministerpräsidenten zu wenden. Bertsch zieht mich wie eine Schachfigur.
    Sie betraten das Schloß durch den vorderen Eingang. Die Göttin im Treppenschatten bemerkte sie nicht. Die Innentüren waren, wie immer, verschlossen. Gundelach wünschte sich Andreas Kurz an seine Seite, den er seit ihrem gemeinsamen Rundgang nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. In Renfts Sekretariat öffnete ihnen eine scheue ältere Dame. Sie huschte an die Verbindungstür zum Chefzimmer, öffnete sie gerade so weit, daß der Kopf mit den grauen, kurzgeschnittenen Haaren hindurch paßte und hauchte: Die Herren sind da − worauf ein sonores: Ich lasse bitten! antwortete.
    Dr. Zwiesel ging voraus, blieb aber auf halbem Weg zum Schreibtisch stehen. Gundelach folgte ihm, die Hände ineinander geflochten. So aufgeregt er war, entgingen ihm doch die vergoldeten Beschläge und die moosgrüne Lederplatte des Empiremöbels nicht, in dessen Mitte ein schmaler ›Wegweiser‹ − ohne Zweifel seine Personalakte − aufgeschlagen lag.
    Erst als sie nebeneinander standen und warteten, erhob sich der Ministerialdirektor. Förmlich begrüßte er Dr. Zwiesel, danach den Assessor und deutete, zurückkehrend, auf die beiden Stühle an der Frontseite des Tischs.
    Wie geht es Ihnen, wie haben Sie sich eingelebt?
    Renft trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug mit hochgeknöpfter Weste. Neben dem Revers prangte ein weißes Spitzentaschentuch. Die bordeauxrote Krawatte war exakt in der Mitte des hohen, steifen Hemdkragens zu einem länglichen Knoten gebunden. Der Kopf darüber, von bläulichem Geäder durchzogen, verriet Neigung zu Bluthochdruck.
    Danke, ich fühle mich sehr wohl!
    Sie werden, sagte Renft, solange Sie in der Pressestelle arbeiten, wenig Gelegenheit haben, sich juristisch auf dem laufenden zu halten. Ich würde Ihnen trotzdem raten, niemals Ihre eigentliche Ausbildung aus dem Blickfeld zu lassen, denn irgendwann werden Sie wieder daran anknüpfen müssen − und auch wollen. Damit − er deutete eine geringfügige Verbeugung gegenüber Zwiesel an − will ich nichts gegen die Notwendigkeit einer guten Pressearbeit gesagt haben.
    Bertschs Stellvertreter lächelte unergründlich.
    Ich bin mir dessen durchaus bewußt, sagte Gundelach folgsam. Deshalb beziehe ich auch weiterhin die Neue Juristische Wochenschrift und achte darauf, daß meine Gesetzessammlungen Schönfelder und Sartorius immer auf aktuellem Stand sind.
    Mein Gott, dachte er. Hoffentlich kann ich nur halb so gut schauspielern wie Zwiesel.
    Das gilt, will ich hoffen, auch für die Vorschriften des Landes?! Schelmisch hob Renft den rechten Zeigefinger.
    Auch die halte ich in Ordnung, bestätigte Gundelach.
    Nun, das freut mich zu hören. Es bedeutet, menschlich wie volkswirtschaftlich, immer eine gewisse Ressourcenverschwendung, sich nach einem langen und schwierigen Universitätsstudium auf einem Gebiet zu tummeln, das keiner akademischen Qualifikation bedarf. Das kann man eine Weile machen, aber auf Dauer wäre es schade. Sie haben übrigens − er tippte auf die Akte − ein sehr gutes Abitur abgelegt!
    Ach ja, es geht, sagte Gundelach verlegen.
    Doch, doch! Ich finde das beachtlich in einer Zeit, da immer mehr Leistungsschwache in die Jurisprudenz ausweichen, weil ihnen der Numerus clausus den Weg zu naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächern verbaut. Unser Berufsstand sollte durchaus mehr Elitebewußtsein an den Tag legen. Wir tun uns gewiß keinen Gefallen damit, als Sammelbecken für Minderbegabte zu gelten, habe ich Recht?
    Zwiesel kam Gundelach mit Nicken zuvor. Unerhört! dachte Gundelach ärgerlich. Ist es sein Abitur oder meins, von dem hier die Rede ist?
    Der Ministerialdirektor blätterte in dem schmalen Ordner. Gundelach wappnete sich, über seine Heidelberger Zeit Rede und Antwort stehen zu müssen. Doch Renft klappte den Deckel schon wieder zu und sagte: Vom Landratsamt zur Staatskanzlei ist ein großer, ein sehr großer Sprung. Den klassischen Laufbahnregeln gemäß hätten Sie erst noch einige Jahre in einem Fachministerium oder wenigstens im Regierungspräsidium verbringen müssen. Sie sollten sich, dies als gutgemeinter Rat, den Blick auf die Realitäten trotzdem nicht trüben lassen. Wir sind

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