Monrepos oder die Kaelte der Macht
zuweilen durch Druckkostenzuschüsse aus meinem Drittmittelfonds. Ganz legal, im Rahmen der Zweckbindung unserer Geldgeber.
Ich verstehe, sagte Gundelach. Man könnte gewissermaßen vom ersten wissenschaftlichen Werk des Ehrendoktors eurer Fakultät sprechen.
Man könnte nicht nur, erwiderte Wrangel. Man muß.
Wenig später begannen die Übersetzungsarbeiten für ›Towards the future‹. Specht war zufrieden, Wiener vermeldete der Presse, eine amerikanische Ausgabe des Spechtschen Bestsellers sei in Vorbereitung.
Auch für die zweite Idee lieferte Wrangel die Vorlage.
Im nächsten Jahr, sagte er, wird der MP doch fünfzig. Macht Ihr da was?
Wie – was? fragte Gundelach nicht eben intelligent.
Na, eine große Geschichte, um ihn zu ehren. Also, ich hab zum Beispiel vor, eine Festschrift für ihn herauszugeben. Das wird eine fulminante Sache, sag ich dir. Mit Beiträgen von Kohl, Strauß, Herrhausen und dem ganzen Who’s who der Wissenschaft. Und keiner wird sich getrauen abzusagen, das geb ich dir schriftlich!
Ich glaub’s auch so. Tolle Idee! Und wo erscheint die Festschrift?
Du kannst fragen! sagte Wrangel amüsiert. Natürlich in demselben Verlag, der ›Towards the future‹ druckt.
Oh, Werner … Manchmal denke ich, wir sollen dich zum Chefpropagandisten machen. Ehrlich!
Du widersprichst dir selbst, antwortete der Professor streng. Das ist nicht gut. Laß mich im Hintergrund arbeiten, das ist mein Part. Ihr schießt an der Front, ich rücke nach. So führt man Krieg.
Krieg?
Krieg. Oder glaubst du, Ihr könnt Bonn im Spaziergang einnehmen?
Gundelach erinnerte sich, in einer Biografie gelesen zu haben, daß Werner Wrangel schon als Zwanzigjähriger Panzerkommandant gewesen war und an der Schlacht um Arnheim teilgenommen hatte. Der unbedingte, messerscharf vorausplanende Siegeswillen seines Mentors beschämte ihn.
Du mußt viel härter werden! Es war wohl doch etwas dran am Abschiedsgruß des anderen, verlorenen Gefährten.
Ob aber Specht selbst die notwendige Härte aufbrachte? Rücksichtslos, verletzend konnte er sein. Doch fast immer traf es Schwächere. Mut vor politischen Königsthronen hatte Oskar Specht bisher nur selten zeigen müssen. Wenn einer mal Ministerpräsident ist, gibt es auch nicht mehr viele Königsthrone über ihm; eigentlich nur noch einen …
Spechts Fünfzigster! Daß er nicht selbst darauf gekommen war! Der ideale Anlaß für eine Biografie. Die einfachste Art, andere schreiben zu lassen und doch etwas fürs Nachweltgelüste des Chefs zu tun.
Gundelach nahm umgehend Kontakt zu Verlagen auf. Das Interesse war groß, die Ratlosigkeit, wer außerhalb der Staatskanzlei etwas Authentisches zuwege bringen konnte, allerdings auch. Noch während er grübelte, löste sich das Problem mit spielerischer Leichtigkeit. Ein erfolgreiches Autorengespann aus Köln, im Hauptberuf beim Fernsehen tätig, begehrte dringlich einen Termin.
Die Herren wollten ein Buch über Specht schreiben – oder über Biedenkopf. Den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und den SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau hatten sie schon vermarktet. Mit respektablen Auflageziffern jeweils. Aus der Kohl-Reportage hatten sie gleich noch einen Fernsehfilm ›gemostet‹. Absolut professionell das Ganze.
Schon während des ersten Treffens sagte Gundelach zu. Er wußte, daß Specht diesem Angebot nicht widerstehen würde. Die ›Rahmenbedingungen‹ waren einfach zu gut: der nächstwichtige nach Präsident, Kanzler und Kanzlerkandidat zu sein, oder jedenfalls dafür gehalten zu werden! Vor Genscher und allen Bundesministern, vor Strauß und den übrigen Landesfürsten. Da war der Hinweis auf die drohende Alternative Biedenkopf nur Formsache.
Trotzdem erwähnte Gundelach das biografische Konkurrenzverhältnis sicherheitshalber, als er einen betont unterkühlten Informationsvermerk an den Ministerpräsidenten abfaßte. Und Specht tat so, als müßte er eine Menge Bedenken ausräumen, ehe er sich die Zustimmung abringen konnte. Das gehörte einfach zum Ritual zwischen ihnen.
Dann aber legten die Herren Autoren los. Sie forderten Reden und Adressen von ›Zeitzeugen‹ an, die sie zu befragen wünschten, und ließen sich etliche Gesprächs- und Begleittermine reservieren. Schließlich hatten sie Routine in dem Geschäft. Und Gundelach stellte belustigt fest, daß auch diese Profis Teile ihres Buchs durch Dritte schreiben ließen: Journalisten, die sich ein Zubrot verdienen wollten, Prominente, die den Auftrag, Specht
Weitere Kostenlose Bücher