Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
politisch-regionalen und nicht um einen weltweitökologischen Schicksalsschlag ging, machte die Sache zwar für die Menschheit, nicht aber für den unmittelbar Betroffenen erträglicher.
    Die Bankenfusion war mit lautem Knall geplatzt.
    Man hatte Specht hintergangen, geleimt, sein Ruf als gewiefter Zahlen- und Menschenjongleur war ernstlich beschädigt.
    Wenn Parteifreunde tagen, soll man nicht reisen. Diese einfache, in West und Ost gültige Regel hatte er sträflich mißachtet. Seinen Fuß in die europäische Kooperationstür setzend, war er mit etlichem Gefolge nach Lyon aufgebrochen, um dort eine gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen, die das Land und die französische Region Rhône-Alpes zu einer zentraleuropäischen Technologieachse zusammenschmieden sollte. Freund Kiefer und ein frischgebackener Nobelpreisträger waren dabei und alles, was sich in Wirtschaft und Wissenschaft Rang und Namen beimaß, dazu Tom Wiener und eine ausgewählte Schar Journalisten (Gundelach lag mit Sommergrippe im Bett und ärgerte sich).
    Mit Charles Beraudier, dem beliebt-beleibten Präsidenten der Region, saß man in Paul Bocuses Schlemmertempel zusammen, als der niederschmetternde Anruf aus der Landeshauptstadt eintraf, daß der Traum vom großen Bankenfressen fürs erste ausgeträumt sei. Mit der Stimme des Oberbürgermeisters hatte der Verwaltungsrat der mächtigen städtischen Girokasse beschlossen, bei Spechts Grand mit Vieren auszusteigen. Die Erbsenzähler hatten den Gourmet, der sich seines Erfolges sicher gewesen war, aufs Kreuz gelegt. Spechts Geringschätzung für Gremien – er hatte sie zumeist als führungsfixierte Kollektive kennengelernt – rächte sich. Auch parteipolitisch, denn der Verwaltungsrat galt eindeutig als CDU-dominiert. Nun lag offen zutage, daß die Treue maßgeblicher Parteifreunde zu ihrem Landesvorsitzenden nur eine sehr bedingte war.
    ›Wertberichtigung‹ überschrieben Wirtschaftsmagazine ihre schadenfrohen Kommentare, und sie bezogen sich nicht bloß auf Bankbilanzen.
    Specht reagierte über die Maßen erzürnt und ließ jedermann wissen, daß der provinzielle Bankensektor künftig für ihn erledigt und gestorben wäre. Demonstrativ traf er sich nach dem Eklat mit Alfred Herrhausen und Sparkassenpräsident Geiger, um die Ebene kenntlich zu machen, derer er sich fortan bei geldpolitischen Gesprächen zu bedienen gedachte. Dennoch blieb niemandem auf Monrepos verborgen, daß es politisch höchste Zeit wurde, den Mißerfolgen, Mißstimmungen und Verdächtigungen der letzten Monate mit einer klaren, unzweideutigen Erfolgsmeldung Paroli zu bieten. Und wirklich: Kurz darauf landete Oskar Specht den allfälligen Coup, und er tat es mit Verbündeten, auf die mehr Verlaß war als auf hasenfüßige Pfeffersäcke.
    Noch vor der parlamentarischen Sommerpause überraschte er das Kabinett vertraulich mit der frohen Botschaft, daß es ihm nach harten Verhandlungen gelungen sei, Daimler Benz zum Bau eines neuen PKW-Werks im Lande statt in Frankreich oder in Norddeutschland zu bewegen. Er ließ keinen Zweifel daran, daß die Konzernspitze ihre Entscheidung letztlich ihm zuliebe, und weil man sich dem Land eben doch auf besondere Weise verpflichtet fühle, getroffen habe.
    Aber, sagte Specht, es war ein schweres Stück Arbeit, bis ich die soweit hatte, das kann ich euch sagen! Die Norddeutschen und auch die Franzosen haben unglaublich gute Konditionen für die Ansiedlung geboten! Das mindeste, was jetzt von unserer Seite kommen muß, ist natürlich, daß Daimler Benz nicht auch noch Geld in die Aufbereitung eines Geländes zu stecken braucht, das sie sonst überall fix und fertig erschlossen auf dem Tablett serviert bekommen.
    Hundertzwanzig bis hundertvierzig Millionen werde die Erschließung schätzungsweise kosten, schloß Specht, auf diesen Preis habe er die Herren, die ursprünglich weit höhere Vorstellungen gehabt hätten, heruntergehandelt. Wenn man demgegenüber die Milliardeninvestition, die Folgeaufträge für den Mittelstand, die zusätzlichen Arbeitsplätze und die Steuermehreinnahmen rechne, sei es eines der besten Geschäfte, die das Land je getätigt hätte.
    Das sah der Ministerrat genauso und beglückwünschte den Ministerpräsidenten emphatisch. Und auch die Vertreter der SPD- und der FDP-Fraktion, die Specht Anfang August zu sich lud, waren beeindruckt und teilten seine Auffassung, das Geld fließe im Endeffekt nicht einem reichen Konzern, sondern einem strukturschwachen Raum zu.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher