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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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hieß sie im Spechtschen Sprachgebrauch. Und er hatte auch schon die zentrale ›message‹ parat: High culture mußte hinter High tech geschaltet werden. Was, in gängiges Deutsch übersetzt, wohl heißen sollte: Nachdem die Sache mit der Technologieförderung sich selbst zwischen Ems und Weser herumgesprochen hatte, drohte sie fad und langweilig zu werden. Eine künstlerische Überhöhung mußte her.
    Gundelach war wild entschlossen, dem Ansinnen nicht zu folgen.
    Wie dachte sich Specht das Bücherschreiben eigentlich? So nebenher und querdurchdengarten, wie er sprach?
    Kaum war es um seinen Erstling ruhiger geworden, dürstete ihn nach neuem Literatenruhm. Und gleich das subtilste, den Robustheiten der Tagespolitik am weitesten entzogene Thema wollte er anpacken! Vermengt womöglich mit der Trivialphilosophie seiner Unternehmerfreunde, die kulturelles Sponsoring als Werbemittel entdeckt hatten und den verständlichen Wunsch, Gewinne zu machen, in den Rang einer ethischen Großtat zu heben suchten!
    Schon das jüngste Untersteiner Gespräch hatte sich, Spechts Drängen folgend, mit dem Verhältnis von Kultur und Gesellschaft befaßt. Nicht auszuhalten war es gewesen. Sofort ein allgemeines Gejammer über Gewerkschaften und linke Ideologen. Vorndran Spechts staatsmännische Monologe zum Mäzenatentum. Und immer dieselben buchhalterischen Diskussionen, ob sich’s denn volkswirtschaftlich auszahle, wenn eine Gesellschaft arbeitenden Menschen mehr Freizeit zugestehe.
    Einzig der elsässische Paradiesvogel Tomi Ungerer, als sachverständiger Zeuge hinzu geladen, hatte für Farbtupfer gesorgt. Die quälend dilettantische Suche nach dem Sinn der Kunst beendete er dadurch, daß er einen Stiefel vom Fuß zog, ihn auf den Tisch hieb und schrie, das größte Kunstwerk, das er kenne, sei ein nackter Weiberarsch.
    Den neben ihm sitzenden Weihbischof, welchem er ins wohlgefaßte Wort gefallen, haute es dabei fast vom Stuhl.
    Nein, Gundelach war nicht willens, sich der trophäenartigen Einverleibung der Kunst in Spechts Sammlung aufgespießter Themenexponate zu unterwerfen … Warum begnügte sich der Ministerpräsident nicht damit, eine Theaterakademie zu gründen und Wolfgang Bönnheims Festkonzerten beizuwohnen? Warum ließ er nicht den ministeriellen Schauspielerjuristen und dessen bienenfleißige Kunstabteilung in Ruhe ein neues Konzept entwickeln, das Förderung und Risiko, Zuspruch und Zurückhaltung fein ausbalancierte, wie es seit langem angestrebt und auch vonnöten war? Warum reichte es ihm nicht, sich an den strahlenden Dankesblicken der Ballettmitglieder, die er mit Orden schmückte, zu erfreuen? Warum mußte er auch noch im letzten Reservat, das zu durchstreifen sein ungeheurer Betätigungs- und Bestätigungstrieb sich anschickte, den geistigen Okkupator spielen wollen?
    So dachte er und grollte. Grollte grundsätzlich, und weil die elende Plackerei im Kampf mit der Schreibmaschine schon wieder beginnen sollte.
    Auf der anderen Seite wußte er aber auch, daß er Spechts ungestillte Liebe zum gedruckten Wort (die vielleicht gerade deshalb so groß war, weil er bei allem Erfolg die Flüchtigkeitswirkung seiner für den Augenblick geborenen Reden schmerzlich empfand) nicht einfach ignorieren konnte. Wie grober Undank würde es wirken; als hielte Gundelach, gerade mal zum Abteilungsleiter aufgestiegen, es schon nicht mehr für nötig, seinem Chef mit den Gaben, um derentwillen er begünstigt worden war, hilfreich zur Seite zu stehen.
    Specht würde ihn seine Enttäuschung spüren lassen.
    Also sann er auf Möglichkeiten, neue publizistische Aktivitäten zu entfalten, ohne selbst zur Feder greifen zu müssen. Zwar hatte er keinen Lohnschreiber wie Specht. Aber konnte man nicht trotzdem andere zum Ruhme des Ministerpräsidenten und zur eigenen Entlastung einspannen?
    Als erstes fiel ihm ein, daß die ›Wende nach vorn‹, im deutschen Sprachraum dem politisch Interessierten nun hinlänglich bekannt, eigentlich ganz gut eine englische Übersetzung gebrauchen könnte. Oder eine französische. Auf jeden Fall eine dem Autor angemessene Internationalität.
    Gundelach fragte Werner Wrangel. Wie nicht anders zu erwarten: Wrangel wußte Rat.
    Weißt du, sagte er, das ist ganz einfach. Ich kenne den Geschäftsführer eines deutsch-amerikanischen Verlages. Der veröffentlicht in New York immer mal wieder qualifizierte Arbeiten hiesiger Wissenschaftler. Wenn es sich um Angehörige unserer Universität handelt, unterstütze ich das

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