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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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bittend, verlegen als jenen wiedererkannte, der Wiener und ihn in der Marienkirche zurechtgewiesen hatte. Auch sein Gegenüber erinnerte sich sofort und versuchte, die Peinlichkeit zu mildern. Höflich verbeugte er sich und sagte: Ich hoffe, Sie verzeihen meine heftige Reaktion vorhin. Es war nur … ich habe Herrn Tendvall sehr geschätzt.
    Ich auch, sagte Gundelach. Nein, Sie hatten schon recht damit. Wir waren sehr laut.
    Darf ich fragen … Sie wollten nicht zufällig dem Tendvall-Haus einen Besuch abstatten?
    Nein, erwiderte Gundelach verblüfft. Ich kenne kein Tendvall-Haus.
    Nicht? Sie stehen direkt davor. Darf ich es Ihnen, um Vergangenes vergessen zu machen, kurz zeigen?
    Entschlossenen Schrittes ging er voraus, öffnete eine schwere geschnitzte Tür und ließ Gundelach in eine geräumige Diele eintreten, die mit zwei wuchtigen, vorspringenden Mahagonischränken eingerichtet war.
    Wäscheschränke aus dem späten 18. Jahrhundert, sagte der alte Herr erläuternd. Seinerzeit ein fester Bestandteil jedes vornehmen hanseatischen Bürgerhauses. Wir halten uns, bitte, rechts.
    Es zeigte sich, daß der Führer, der sich unter nochmaligem Verbeugen als ›Plönersdorf‹ vorstellte, Verwalter eines kleinen Museums war, welches niemand anderer als Sören Tendvall gestiftet hatte.
    Während der Kustos nun also mit einer zuweilen wunderlichen Mischung aus Sachkunde und altertümlich-geschraubten Redewendungen Ausstattung und Zweckbestimmung der einzelnen Räume vortrug, dabei sogar, weil man sich zwischen Rokoko und Louis-Seize bewegte, in ein norddeutsch-näselndes Französisch verfallend von ›Antichambre‹ und ›Cabinet‹ sprach, entstand vor Gundelachs Augen ein neues, sozusagen in die kulturelle Tradition seiner Vaterstadt eingepaßtes Bild Sören Tendvalls, das ihn in eine Reihe stellte mit jenen romanhaft verklärten Senatoren und Konsuln, über die eine eigene kleine Sammlung im Obergeschoß des Hauses literarisch Auskunft gab.
    Und das, bemerkte Plönersdorf, als hätte er Gundelachs Gedanken erraten, mit erhobenem Zeigefinger und vor Ergriffenheit gerötetem Gesicht, obwohl noch der Urgroßvater des verehrten Verstorbenen nichts weiter gewesen ist als ein Ziegenhirt, der sich nicht einmal in die Nähe unserer Patrizierhäuser getraut hätte! Der Großvater hielt dann freilich schon einen Kutscher in Lohn und Brot und machte bedeutende Erfindungen, die den Reichtum der Familie begründeten. Niemand aber hat unserer Stadt mehr Gutes getan als der Urenkel jenes Ziegenhirten, und wenn Sie aus diesem Haus, das seinen Namen trägt, wieder hinaustreten und im Sonnenlicht etliche Kirchtürme der Stadt in hellem Gold erstrahlen sehen, so ist auch das sein Werk. Es ist, möchte ich meinen, ein Glanz, der sinnbildlich für ein großherziges Leben steht, das wirken und nicht blenden wollte. Sie werden verstehen – schloß er etwas unvermittelt –, daß mich die akustische Störung in Sankt Marien in einem Zustand tiefsten Schmerzes traf, der mich freilich nicht dazu berechtigte, Sie und Ihren Begleiter dergestalt zu rügen, was ich hiermit nochmals zu entschuldigen bitte.
    Damit beendete Herr Plönersdorf die Führung und geleitete Gundelach zur Tür.
    Der aber verharrte noch lange im Freien und schüttelte ungläubig den Kopf. Zwei-, dreimal entfernte er sich von dem Gebäude mit dem hohen, barocken Stirngiebel und kehrte, wie von einem Magneten angezogen, wieder vor die kleine Messingtafel zurück, auf der in schön geschwungener Schrift der vertraute Name leuchtete.
    Schließlich mußte er sich sputen, um den Zug nach Hamburg und von dort das Flugzeug in die Heimat zu erreichen. Noch auf dem Bahnsteig aber überkam ihn die Idee, daß Sören Tendvall selbst, den man jetzt im Familienkreis zu Grabe trug, ihm Plönersdorf geschickt haben mochte, um ihrer beider Beziehung einen milden, versöhnlichen Ausklang zu gewähren. Ein Ausklang, dem ganz sicher eine Prise nachsichtigen Spottes über die Unwissenheit süddeutscher Überflieger beigemischt war; eine Idee aber auch, die sich bei der Ausfahrt des Zuges mit jedem Turm, der im klaren Sommerlicht aufschien, zu tröstlicher Gewißheit verdichtete.
    Der Kladderadatsch, von dem zwischen Wiener und Gundelach im harten Gestühl des Gotteshauses die Rede gewesen, war, bei Licht betrachtet, weit mehr als das. Eine Katastrophe hatte sich in den mittleren Junitagen ereignet, wieder eine in diesem düster prophezeiten Krisenjahr, und daß es vorderhand nur um einen

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