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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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entschiedensten gegen die Entwicklung, die Sie beschrieben haben, sagte er. Baltus ist ganz sicher der konservativste Bildungspolitiker im ganzen Bundesgebiet! Er bemühte sich, nicht an die Spottverse zu denken, mit denen sie, auf dem Boden des Heidelberger Audimax hockend, den Kultusminister mehr als einmal skandierend bedacht hatten. Haut dem Baltus auf die Nuß − Baltus, Baltus, bald ist Schluß − und so …
    Dr. Weis gestattete sich noch einen befreienden Rülpser, bevor er mit schwer gewordener Zunge antwortete.
    Baltus ist im Kern immer das geblieben, was er die längste Zeit seines Berufslebens war, nämlich Hochschullehrer. Das ist seine Crux. Er kann nur in institutionellen Bildungskategorien denken. Darum begreift er nicht, daß Bildung in erster Linie ein anthropologischer Wert ist − ein vorkulturelles Element, das der einzelne für sich erst kultivieren muß. Es gibt keine Institutionen, die Bildung vermitteln könnten, das ist Quatsch. Es gibt die Vermittlung von mehr oder weniger nützlichem Wissen auf verschiedenen Stufen und bestimmte pädagogische Kniffe, wie das entwicklungsgerecht zu geschehen hat. Das ist alles. Bildungsreform ist ein ideologisches Banalitum, ein antibürgerlicher Kampfbegriff, und wer sich darauf einläßt, egal ob er die Reform verhindern oder, was noch idiotischer ist, durch andere Reformen überholen will, handelt nicht weniger ideologisch als die Protagonisten dieser angeblichen Reform, von Picht bis Adorno. Aber das hat die Union nie begriffen, weil niemand in ihren Reihen im Umgang mit Begriffen philosophisch geschult ist − wie ich schon zu erklären versuchte. –
    Dr. Weis verstummte. Die Mädchen hatten begonnen, sich laut und ungeniert zu unterhalten. Politische Gespräche nach Dienstschluß liebten sie nicht. Es genügte, daß man ihnen tagsüber jede Menge Erfolgsmeldungen diktierte, die immer mit dem Namen des Ministerpräsidenten verbunden waren.
    Wann geben Sie eigentlich Ihren Einstand? fragte eine der Stenotypistinnen, die in der Fernschreibstelle arbeiteten, und sah Gundelach herausfordernd an. Wenn Sie glauben, daß Sie sich davor drücken können, sind Sie schief gewickelt!
    Gundelach schaffte es nicht, dem Blick standzuhalten. Schon bei der Abgabe seiner ersten Pressemitteilung waren ihm das keck erhobene Gesicht und eine aufstachelnde Art, ungefragt Meinungen zu äußern, an Fräulein Blank aufgefallen. Ich will mich keinesfalls drücken, sagte er lahm. Ich habe bisher einfach nicht daran gedacht. Wie macht man das hier − üblicherweise?
    Üblicherweise sorgt man dafür, daß keiner verhungern und verdursten muß, auch nach Mitternacht nicht, wenn die Gefahr besonders groß ist! rief Inspektor Bertram und wölbte seinen Bauch noch stärker vor, als es der beachtliche Leibesumfang ohnehin erzwang. Bertram war für das spröde Geschäft des Grußwortschreibens zuständig. Doch hatte er es dank jahrelanger Übung geschafft, mit wenigen verbalen Versatzstücken Taubenzüchter wie Sportkanuten gleichermaßen zufriedenstellen zu können, wenn sie ihr Vereinsjubiläum landesväterlich beglänzen wollten. So blieb ihm genügend Zeit, sich seinen eigentlichen Neigungen zu widmen, wozu neben der bonvivanten Lebensweise eine heftige Liebe zur Kommunalpolitik gehörte, der er in zahlreichen Ausschüssen des hauptstädtischen Gemeinderats aufopfernd nachkam.
    Gut, dann lassen Sie uns gleich einen Termin festlegen. Wann ist es am geschicktesten? Gundelach vermied es auch jetzt, Fräulein Blank direkt anzusprechen. Sie musterte ihn mit spöttisch gekräuselten Lippen.
    Nach längerer Diskussion einigte man sich auf den Freitag der übernächsten Woche, das Einverständnis des Abteilungsleiters vorausgesetzt. Bauer wollte sich um die Abstimmung mit Bertschs Vorzimmer kümmern, Bertram erbot sich, beim Kantinenpächter Wein, Bier und belegte Brötchen zu bestellen. Das übliche eben. Das Ausschmücken des Raumes, in dem das Fest steigen sollte, war Sache der Sekretärinnen.
    Mit Tischdecken aus Papier und Kerssen darauf wird es gemütlich wie bei einer Weihnachssfeier, sagte Annemarie Markovic, eine kleinwüchsige, mit der Zunge anstoßende Jugoslawin.
    Oje, erinneret me no net dodra! Bertram verfiel in breiten Dialekt. Han i ’s letscht Mol en Rausch beinander ghett, ond immerzu han i denke miasse: wenns no scho kotzt wär!
    Du bist und bleibst ein Prolet, Paul, sagte Fräulein Blank, ohne in das allgemeine Gelächter einzustimmen. Habe ich recht, Herr

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