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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Gundelach?
    Ich weiß nicht. Ich glaube, man sollte es nicht zu streng beurteilen −.
    Der Assessor hätte sich am liebsten unter seinem Stuhl verkrochen. Ein verächtliches Lächeln nistete sich in Fräulein Blanks Mundwinkeln ein − oder ließ sie es, ursprünglich auf Paul Bertram gemünzt, einfach stehen?
    Was, Prolet! Ich bin hier einer der wenigen, die noch wissen, was das Volk sagt und denkt, davon hast du keine Ahnung, Heike! Oder hast du schon mal im Winter Plakate für die CDU geklebt, bis dir der Arsch eingefroren ist?
    Unvermutet, zwischen zwei geräuschvollen Schlucken, meldete sich Dr. Weis zurück. Minutenlang hatte er vor sich hingestarrt und auf die konvulsivischen Zuckungen seines Magens gelauert, als offenbare sich in ihnen ein eigenes, bedeutungsvolles Zeitmaß. Das sicher nicht, sagte er mit schwerer Zunge. Aber im Unterschied zu deinem, Paul, wäre es um ihren auch ausgesprochen schade gewesen.
    Jetzt brach ungestüme Heiterkeit los, an der sich die mit kräftigem Lippenrot geschminkte Heike Blank jedoch wiederum nicht beteiligte. Unverwandt sah sie zu Gundelach herüber. Der hätte gern mit einem locker hingeworfenen Bonmot gezeigt, daß er nicht nur über philosophische Begriffe zu plaudern, sondern zum Schutze gedemütigter Mädchen auch Handfesteres auszuteilen verstand − allein, ihm fiel nichts Gescheites ein. So tat er, was in seinem Verständnis immerhin politisch gehandelt hieß: er lenkte vom eigenen Unvermögen ab, indem er das Thema wechselte.
    Ich möchte mal wissen, sagte er, wie wir es eigentlich schaffen sollen, Wahlkampf und Landesjubiläum unter einen Hut zu bringen. Konfrontation auf der einen Seite, Harmonie auf der anderen − ob das die Menschen nicht mehr verwirrt als motiviert?
    Darüber entspann sich nun in der Tat eine alkoholisch erhitzte Diskussion. Mehrheitlich wurde die Meinung vertreten, gerade in dieser Diskrepanz liege der große Schachzug der Parteistrategen um Breisinger: Verweigere sich die Opposition den Festlichkeiten, stehe sie als bürgerferner Miesepeter da, wozu das sauertöpfische Profil des SPD-Landesvorsitzenden Meppens augenfällig passe. Ziehe sie aber, der Not gehorchend, mit, müsse sie zugleich die dominierende Rolle der CDU als heimatverbundener ›Wir-Partei‹ anerkennen. Bei allen Veranstaltungen vor Ort werde ein Minister, ein Staatssekretär oder doch wenigstens ein Abgeordneter der Union das Wort ergreifen und die kulturelle, wirtschaftliche und weißderteufelnochwas Spitzenstellung des Landes beschwören. Und die Sozis könnten nicht wagen, dagegen anzustinken, weil sie sonst als nestbeschmutzende Störenfriede gelten würden. Die CDU-Ortsverbände müßten dann nur noch den Hammer rausholen und bei jedem politischen Früh- und Dämmerschoppen davor warnen, daß durch Meppens sozialistische Experimente und Schmidts Schuldenpolitik all die schönen Erfolge aufs Spiel gesetzt würden − und schon hätte man die Roten im Sack. Von einer genialen Doppelstrategie war die Rede, vom Wettlauf zwischen Hase und Igel, bei dem der Verlierer schon feststünde, und daß, wenn es um Wahlkampf ging, niemand der Union etwas vormachte −.
    Einzig Rolf Bauer warnte mit seiner weichen nuschelnden Stimme davor, den Bogen zu überspannen. Aus Gesprächen wisse er, daß nicht wenige Bürgermeister und Verbandsobere sich Sorgen machten, für Parteizwecke instrumentalisiert zu werden. Deshalb ist es gar nicht so einfach, sagte er und duckte sich noch tiefer als gewöhnlich, für gemeinsame Aktionen zum Landesjubiläum schon jetzt konkrete Zusagen zu erhalten.
    Gundelach gab vor, Bauers Bedenken zu teilen. In Wahrheit aber dachte er, daß Bauer mit seiner defensiven Einstellung einfach nicht der richtige Mann sei, um Menschen von einer Idee zu begeistern.
    Bei mir werden sie spuren! schwor er sich. Der Eberfürst brachte sein Blut in Wallung. Das Doppelbödige seines Verhaltens schreckte ihn kaum noch. War nicht auch die große politische Linie von einer raffinierten Doppelstrategie gekennzeichnet? Strategie und Taktik mußten ineinandergreifen, in der Politik und überhaupt.
    Die Mädchen gingen unzufrieden nach Hause. Heike Blank, ohne sich umzudrehen, als letzte. Die Herren nahmen kaum mehr Notiz davon. Irgendwann kam Dr. Weis schwankend aus der Toilette.
    Dankwart, es zieht! rief Paul Bertram. Der Philosoph sah an sich herunter und schmunzelte.
    Als König Wilhelm einmal mit einer Jagdgesellschaft ausritt und ihn ein menschliches Bedürfnis überkam,

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