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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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einstürmten, als Spechts Entscheidung öffentlich bekannt gegeben wurde. Alle hatten es von Anfang an gewußt. Alle fanden es das einzig Richtige. Alle waren einer erfolgreichen Zukunft Gundelachs gewiß. Alle wollten Termine.
    Tom Wiener tat sich schwer mit der Übergabe.
    Seiner letzten Pressekonferenz verlieh er Züge des Burlesken, indem er sich aus der vorangegangenen Kabinettsitzung das nebensächlichste aller Themen, eine Verordnung zur zeitweisen Bejagung von Rabenkrähen und Elstern, herausgriff. Ohne mich wird es in der Pressepolitik fortan mittelmäßig und langweilig zugehen, war seine Abschiedsbotschaft an die Journalisten, die der Peinlichkeit des Auftritts nach kurzem Händeschütteln entflohen. Auf Spechts offizieller Geburtstagsfeier blieb er gerade so lang, daß es nicht als glatter Affront aufgefaßt werden konnte.
    Dafür sparte er nicht an symbolischen Abschiedsgesten, welche die Bedeutung seines Wechsels in die Spitze eines weltweiten Technologiekonzerns sinn- und augenfällig machten. Erst umrundete ein Oldtimer-Korso knatternd und hupend das Rasenrondell vor Schloß Monrepos, dann röhrte ein Rennwagen die Serpentine hoch, und im Angesicht staunend spalierstehender Amtsboten wurde Tom Wiener in das Glitzerparadies seiner neuen, schönen Welt entführt.
    Am 1. Dezember trat Gundelach sein Amt an, schon zwei Tage später erfolgte der Umzug auf die erste Etage. Staatssekretär Dr. Behrens nahm widerstrebend vom Seitenflügel Besitz, dessen politisch wechselvolle Belegung ihm, dem überzeugten Beamten, in tiefster Seele suspekt war.
    Doch Gundelach hatte sich nicht erweichen lassen.
    Regierungssprecher Gundelach kam an diesem Donnerstag erst gegen zehn Uhr ins Büro. Er parkte seinen Wagen an der Straße, die entlang des unteren, lanzettbewehrten Zaunes führte, und ging zu Fuß die schmale Serpentine hinauf. Mit der Auswahl seines persönlichen Fahrers wollte er sich Zeit lassen. Die Personalabteilung sollte ihm Vorschläge machen. Zwiesel selbst sollte sich, bitte schön, darum kümmern. Auch um die Besetzung der Sekretärinnenstelle. Und um die Anschaffung eines dienstlichen Fernsehgerätes und eines Videorecorders. Vielleicht brauchte man auch einen eigenen Telefax-Anschluß. Er würde Dr. Zwiesel am Nachmittag zu einem Gespräch zu sich bitten. Die Bäume im Park standen entlaubt. Vor fast zwölf Jahren glänzten sie in hellem, sprossenden Grün. Aber das sagte ihm sein Verstand; bemerkt hatte er es, aufgeregt und betäubt, wie er damals gewesen war, nicht. Zwölf Jahre. Es hatte keinen Zweck, darüber ins Grübeln zu verfallen. Und doch war es irgendwie zum Verwundern, wie wenig sich seither verändert hatte. Dieselben Bäume. Derselbe verschlungene, graue Aufstiegspfad. Und innen im Schloß setzte sich das ja fort. Die heroischen Mosaikjünglinge lenkten unverdrossen ihre schwarzweißen Streitwagen. Des brüchigen Gobelins Jagd- und Schäferszenen bleichten vor sich hin. Das Weiß der Marmornymphe oder -göttin schimmerte durchs Weihnachtsbaumgeäst, welches sich immer im Dezember in der Eingangshalle breitmachte. Wie niedlich stach ihr Hintern, von der Treppe aus betrachtet, gegen den überladenen Lamettakoloß ab! Niedlich und rein. Und still war es, menschenleer, wie je. Nicht einmal Andreas Kurz. Nicht einmal Paul Bertram. Nicht einmal Dankwart Weis. Der rote, sich verzweigende Teppich, die geschlossene Doppelflügeltür zum Kabinettsaal. Da würde er allerdings, nächsten Dienstag erstmals mit am Kabinettstisch sitzen. Nicht mehr auf einem Stühlchen an der Wand, sondern auf Wieners Sessel neben Dr. Behrens. Die Kollegen Abteilungsleiter im Rücken. Und mittwochs gibt er seine erste Pressekonferenz. Auch im Kabinettssaal, dann aber auf Spechts Sessel Platz nehmend. Die Fernsehkameras von ARD (Regionalschau) und ZDF (Länderspiegel) am unteren Tischende aufgebaut, auf ihn gerichtet. Mit großem Journalistenandrang ist zu rechnen. Gespannt ist er, aber nicht wirklich aufgeregt. Präzise vorbereitet wird er sein. Und gleich von Anfang an klarmachen, daß es mit dem bombastischen Wortgeklingel, dem ›spitze‹ und ›glasklar‹ und ›messerscharf‹ ein Ende hat. Konzentrierte Information statt hohlem Schwulst, Sachpolitik anstelle von weihrauchgeschwängertem Personenkult. Ob Specht sich das wirklich so vorgestellt hat? Man wird sehen. Der direkte Zugriff jedenfalls auf Grundsatzabteilung und Pressestelle ist Gold wert. Schon hat er Aufträge gegeben, die Bilanz der investiven

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