Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
nur schwer ertrug, zu überbrücken, fragte Gundelach, ob Wiener mit Spechts Vorschlag einverstanden gewesen sei.
    Nein, sagte Specht. Er hat mir abgeraten.
    So, wie er die Worte hinwarf, bündig und ohne weitere Erläuterung, klang es fast brutal – und das sollte es wohl auch.
    Ach ja, begann Specht, als hätte er eine Kleinigkeit vergessen, das müssen Sie noch wissen: Ich werde Wieners Stelle als Staatssekretär nicht mehr besetzen, sondern sie dem Landtag zur Streichung anbieten. Das ist ein überzeugendes Sparsignal und nimmt der Kritik an der angeblichen Inflation von Staatssekretären Wind aus den Segeln.
    Dann wird es also künftig keinen Staatssekretär in der Staatskanzlei mehr geben?
    Keine Stelle, korrigierte Specht. Den Titel Staatssekretär, der ja nichts kostet, werde ich wohl dem Ministerialdirektor anbieten müssen, wenn Sie Regierungssprecher sind. Sie verstehen das bitte richtig: Sie können noch nicht Staatssekretär werden, aber durch die neue politische Funktion sind Sie weit herausgehoben, und das wird ja auch nach außen deutlich werden. Behrens hat nun ein bißchen die Sorge, daß seine Position als Verwaltungschef dadurch in den Hintergrund gedrängt werden könnte, was ihm gegenüber den Ministerialdirektoren der anderen Ressorts die Arbeit erschweren würde. Diesem Argument kann man sich nicht ganz verschließen, oder?
    Schau an, der stille, zurückhaltende Dr. Behrens, dachte Gundelach. Irgendwie war es doch wie mit den Karrieren, über die man aus der Zeitung erfuhr: Mitgeteilt wurde stets nur das Resultat, nicht das verschlungene Wie, das es hervorgebracht hatte. Bevor er Gundelach fragte, hatte Specht demnach mit Dr. Behrens gesprochen, dessen Meinung erkundet und ihm, um die Gewichte auszutarieren, das Angebot gemacht, sich fortan Staatssekretär nennen zu dürfen. Zuvor hatte er mit Tom Wiener geredet, und wahrscheinlich hatte Wiener ihm geraten, die Stellung des Ministerialdirektors zu stärken, wenn er schon Gundelachs Nachfolge nicht verhindern konnte. Und wer mochte sonst noch mit wem konferiert haben – Wiener mit Behrens, Kalterer mit Wiener, Specht mit Deusel … Die Felder auf dem Schachbrett waren schon so besetzt, daß es für den Läufer Gundelach nur noch ein Ziehen oder Geschlagenwerden gab.
    Als Gundelach Spechts Suite verließ und zu seinem Schlafraum im Erdgeschoß des Gästehauses hinüber ging, traf er Spechts Fahrer und die Sicherheitsbeamten kartenspielend in der Eingangshalle.
    Gute Nacht, Herr Regierungssprecher, sagten sie augenzwinkernd.
    Es war aber keine gute Nacht, die Gundelach in dem altertümlichen, durchgelegenen Bett des karg möblierten Zimmers verbrachte. Lange schlief er nicht ein. Dann träumte er – und wunderte sich noch im Traum darüber, daß er wieder einmal träumte und nicht bloß in physischer Erschöpfung schlief – von Wäldern ohne Wege, die ein eigentümliches Gemisch waren aus der schwärzlichen Tannentiefe des Harzes und dem lockeren hellen Gesträuch des Monreposschen Parks, wobei zu Gundelachs Erstaunen das frische Laubgrün drohender und undurchdringlicher wirkte als der strenge stille Ernst des Waldes, in dem sich wie in einem gotischen Dom geborgen und auf ein Wesentliches hin gesammelt gehen ließ, während hinter dem Gesträuch des Parks immerzu ein silbergrauer Strahl aufleuchtete, der von Buchenstämmen oder den schlanken Tempelsäulen oder von rasch entschlüpfenden Schlangen herrühren mochte, und Gundelach kämpfte sich durch beiderlei Art Wildnis mit einem zusammengerollten Bogen Pergament hindurch, den er mal wie eine Machete gegen das Unterholz schwang, mal mit herrischer Gebärde als Zepter, als Marschallstab nutzte, um die Unbedingtheit seines Willens zu unterstreichen: dort, dort will ich es errichtet wissen, man muß roden, man muß Licht und Luft schaffen, doch was dieses geheimnisvolle Es war, wußte er selbst nicht, bis es sich schließlich unter seinen Händen geformt hatte, eine Art Burg mit innenliegendem Theater, ein fensterloser, von äußerster architektonischer Askese durchwalteter Bau, in den er, Tür um Tür aufstoßend, eindrang, dazu nach beiden Seiten die Parole rufend: Specht aber nicht! Specht aber nicht!, was sich als Echo in den umlaufenden Gängen so lange fortpflanzte, bis es ihm wie eine fremde Drohung schneidend entgegenschoß, und gegen diese anschwellende Woge eines infernalisch sich steigernden Lärms ruderte, stemmte Gundelach weiter voran, entkräftet schon und entblößt, auf der

Weitere Kostenlose Bücher