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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Suche nach der innersten, kleinen, kubusförmig abgeschlossenen Bühne, von der allein Ruhe und Erlösung zu erhoffen war, einer Bühne, die keines Tribunen Getöse je entweiht hatte, die er endlich, gegen jede Hoffnung und Vernunft, kriechend und mit gebleckten Zähnen die kostbare Inaugurationsurkunde haltend erreichte und von einer am Boden kauernden Frau besetzt fand – Heike war es, die ihm kurz ihr leeres Gesicht zuwandte und sagte: Wozu das alles, Benny ist doch tot.
    Naß und zerschlagen erwachte er, und mit müdem Ingrimm setzte er sich an den Frühstückstisch. Specht, der morgens nur Kaffee trank, saß schon da und las Zeitung.
    Das mit dem Barschel-Selbstmord wird immer mysteriöser, murmelte Specht ohne aufzublicken. Ich glaub nicht dran.
    Tja, sagte Gundelach unbestimmt und interesselos. Er strich sich ein Brötchen, dann fragte er in die Zeitungswand hinein: Um auf das gestrige Gespräch zurückzukommen – Dienstwagen und Fahrer würden mir aber, wie Wiener auch, zustehen?
    Klar, antwortete Specht und schlug die Seite um.
    Sie schwiegen. Spechts Fahrer kam mit einem Kleidersack überm Arm aus der Suite und grüßte vertraulich.
    Ich meine, sagte Gundelach, wenn ich es mache, sollte der Wechsel so schnell wie möglich vollzogen werden. Nicht erst zum Jahresende, wie Wiener sich das wohl vorstellt.
    Sie können morgen anfangen, brummte Specht. Aber reden Sie erst mal mit Ihrer Frau.
    Dann blätterte er geräuschvoll in seiner Lektüre. Ich will jetzt nicht gestört werden, hieß das.
    Gundelach griff sich gleichfalls eine Zeitung, ließ sie aber nach dem nächsten Schluck Kaffee wieder sinken. Irgend etwas reizte ihn, Spechts Geduld auf die Probe zu stellen. Ein Nachwirken jenes schweren Traumes vielleicht, der wie ein frostiger Hauch auf seiner Seele lag.
    Wenn Behrens Staatssekretär wird, begann er wieder, muß er auch in Wieners Zimmer umziehen. Könnte ich demnach als Regierungssprecher sein jetziges Zimmer im ersten Stock haben?
    Mit einem Ruck beendete Specht die unerquickliche Unterhaltung.
    Es ist mir scheißegal, wer in welches Zimmer zieht! rief er aufgebracht und warf die flüchtig zusammengefaltete Zeitung auf den Tisch. Macht das gefälligst unter euch aus. Pfitzer, wir fahren!
    Immerhin weiß er jetzt, daß mich sein Angebot nicht vor Begeisterung vom Stuhl haut, dachte Gundelach befriedigt. Er hatte das Gefühl, das mache es ihm leichter, zuzustimmen.
    Das Gespräch mit Heike, die gelöst und wie vom frischem Wind einer Insel belebt aus Hamburg zurückgekehrt war, dauerte nur wenige Minuten. Sie hielt Gundelachs Frage, ob er das Amt des Regierungssprechers übernehmen solle, für rein rhetorischer Natur.
    Du bist doch schon entschlossen, sagte sie. Also, was soll’s?
    Um seine Unvoreingenommenheit zu bezeugen, zählte er alle Nachteile auf, die Spechts Vorschlag enthielt: Zwei Jobs für ein und dasselbe Gehalt, keine konkrete Aussage, wie es nach der Landtagswahl weitergehen werde, noch weniger freie Zeit als bisher.
    Na, viel weniger freie Zeit als jetzt ist ja wohl kaum vorstellbar, entgegnete sie leichthin. Aber mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe mich damit abgefunden, daß der Beruf dein Lebensmittelpunkt ist, und Benny kennt es ohnehin nicht anders. Nur benutze mich bitte nicht als Alibi für eine Entscheidung, die du längst getroffen hast.
    Gundelach stellte es erneut in Abrede – er habe sich, sagte er, gegenüber Specht in keiner Weise gebunden.
    Darauf Heike: Das glaube ich dir sogar, aber es ändert nichts daran, daß es für dich keine realistische Alternative gibt. Wenn du ehrlich bist, könntest du nicht einmal sagen, was du im Fall einer Absage mit der angeblich fürs Private gewonnenen Zeit anfangen solltest. Im übrigen bin ich überzeugt, daß Specht nicht eine Sekunde an deiner Zustimmung zweifelt, und deshalb braucht er sich auch keinen besonderen Anreiz auszudenken.
    Wie zum Trost fügte sie hinzu: Das mit dem Dienstwagen, dem Fahrer und dem neuen Zimmer war sicher das Maximum, was du herausholen konntest.
    Ihre kurze, leidenschaftslose Analyse war schlimmer, als wenn sie mit ihm gestritten hätte. Offenbar hielt Heike ihn mittlerweile für einen hoffnungslosen Fall. Und mit seinem Einverständnis, welches er Specht anderntags zukommen ließ, bestätigte er das ja wohl auch – ohne sich noch ernsthaft dagegen wehren zu können.
    Ein gewisser Fatalismus hatte ihn ergriffen, der in krassem Gegensatz zu all den Glückwünschen stand, die auf ihn

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