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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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verkaufen es ›unter Specht‹ – das zieht immer. Da muckt keiner gegen auf. Und immer häufiger triffst du Leute, denen dein Name bekannt ist. Dieses: Ach, Sie sind das …! Automatisch fällt die Verbeugung tiefer aus. Merkwürdige Sache, sich prominent fühlen zu dürfen. Einladungen stapelweise. Sechstagerennen, Stammtisch hier, Stammtisch dort. Konsularische Empfänge. Der röhrende, nervende Schmiedlein mit seinen norwegischen Fisch- und Aquaviteinladungen. Fast wohltuend dagegen, daß zwischen Stierle und mir die knallharte Abneigung geblieben ist. Keine Einladung zur Feier des Großen Bundesverdienstkreuzes, das Specht ihm umgehängt hat. Allerdings auch kein Glückwunsch von mir. Mein Gott, warum hältst du dich mit solchen Nebensächlichkeiten auf? Es ist Wahlkampf, mein Lieber. Der härteste, ungewisseste, den du je mitgemacht hast. Und diesmal bist du vornedran. Wenn es schiefgeht, wirst du einer der Hauptschuldigen sein. Deine Pressearbeit. Deine Beiträge zum Wahlkampfkonzept. Wenn’s schiefgeht, wäre unter Wieners Regie alles besser gelaufen. Da warten einige nur drauf. Nicht nur Kalterer. Specht hört in allen Ehren auf, dich köpft man. Zu schnell zu hoch gestiegen. Schnell? Daß ich nicht lache. Manchmal denk ich, ich bin fünfundfünfzig und nicht knapp vierzig. Müde, von innen raus müde. Dann braucht man Aufputschmittel. Nicht Pillen, sondern Publikum. Öffentlichkeit. Rampenlicht. Immer mehr, immer stärker. Die Journaille weiß, wie abhängig Politiker von ihr sind. Daher ihre geheime Verachtung, ihre kumpelhafte Arroganz, die Lust, Leute hochzuschreiben und wie Strohpuppen wieder zu verbrennen, die ewig unbefriedigte Sucht nach neuen Gesichtern. Im Spitzenkandidaten der SPD hat sie jetzt wieder eins gefunden. Unverbraucht, mit Bonner Profibonus, gut aussehend, groß, schlank, blond. Gefährlich, hochgefährlich der Körner. Specht dagegen geradezu zerknittert. Müssen bei den Plakaten höllisch aufpassen. Retuschieren, aber nicht zu stark: weiche Farben, heller Hintergrund.
    Am besten gleich festlegen. Sind sowieso da.
    Hallo! Sorry wegen der Verspätung. Willi, guck nicht so mürrisch. Herr Kalterer, Herr Bornemann, meine Herren – womit fangen wir an? – Gut, erst mal ein kurzer politischer Überblick. Also, ich glaube, von der Themenseite her brauchen wir uns keine großen Sorgen zu machen. In allen Bereichen, mit Ausnahme des Umweltschutzes, haben wir bei den Bürgern Kompetenzvorsprünge vor den anderen Parteien. Das zeigen die Umfragen, mit sehr stabiler Tendenz. Besonders ausgeprägt natürlich in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Deswegen setzen wir hier ja auch einen Schwerpunkt, ich komm noch darauf zurück. Nicht ganz so gut sieht es bei der Sozialpolitik aus, da werden wir aber nachlegen – ich nehm mal als Beispiel die öffentliche Anhörung zur Seniorenpolitik. Dann, Stichwort Gesundheitsreform, Bildung einer Arbeitsgruppe mit den Ärzten, mit den Kassen – der Blümsche Konfrontationskurs ist eine einzige Katastrophe, wir dürfen uns da in nichts reinziehen lassen, sonst kriegen wir eine sozialpolitische Denkzettelwahl, daß es knallt. Deswegen auch strikte Ablehnung aller Sparüberlegungen in Richtung Kindergeld und Vorruhestand. Das hauen wir der FDP um die Ohren, bis sie schwarz wird. Dann, ganz wichtig, die Kampagne fürs ungeborene Leben. Kündigt Specht nächste Woche selbst an, um den rechten Flügel vor der Wahl ruhigzustellen. So. Zusammen mit der familienpolitischen Leistungsbilanz werden wir die wesentlichen sozialen Zielgruppen damit erreichen. Und hier muß die Partei massiv mit reingehen, mit Informationsmaterial, mit Argumentationshilfen, mit Rednerdiensten, mit gesponserten Anzeigen, weil bei diesen Themen teilweise große Verunsicherung herrscht. Und immer eine klare, harte Sprache sprechen, ohne Rücksicht auf Bonn. Gut läuft die Steuerreformgeschichte, seit wir sie auf Jahreswagenrabatte, Vereine und Veräußerungsgewinne, also auf die Themen des kleinen Mannes und des Mittelstands, zugespitzt haben. Die Sozen wissen, warum sie aufheulen. Gilt natürlich erst recht für das Asylthema. Auf kommunaler Ebene raufen sich die Genossen die Haare über die Blauäugigkeit ihrer Oberen. Wir fahren das voll ab. Ich werd jeden Monat die neuesten Asylbewerber-Zugangszahlen veröffentlichen wie der Franke in Nürnberg seine Arbeitslosenstatistik. Damit komme ich nochmal zurück zur Wirtschaftspolitik. Hier hat Specht den größten Kompetenzvorsprung,

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