Monrepos oder die Kaelte der Macht
soviel Wichtigeres zu tun, daß wir uns darüber im Moment wirklich nicht den Kopf zerbrechen müssen.
So, das Thema ist genügend abgehandelt. Ich muß aus der Defensive rauskommen. Vermeiden, daß die Schlagzeile morgen heißt: Regierungssprecher läßt Koalition mit FDP offen. Mist, daß unsere eigenen Umfrageergebnisse erst nächste Woche vorliegen.
Man hat ja allgemein den Eindruck, daß Herr Specht gegen die Bonner Koalition nicht weniger heftig zu Felde zieht als die SPD. Ist das nur ein abgekartetes Spiel, oder hoffen Sie wirklich, auf diese Weise die fehlenden Prozente zu kriegen?
Weder das eine noch das andere. Wir machen Wahlkampf hier im Land. Aber wir lassen uns von niemandem daran hindern, die Interessen unserer Bürger offensiv zu vertreten, ob in ein paar Wochen gewählt wird oder nicht. Und es gibt nun mal Ungerechtigkeiten im neuen Gesetzentwurf zur Steuerreform. Denken Sie an die geplante Besteuerung der Jahreswagenrabatte oder der gemeinnützigen Vereine …·
… wovon vor allem CDU-Wähler betroffen wären, nicht wahr?
… ich sehe mit Vergnügen, daß Sie den Arbeiter beim Daimler, der ehrenamtlich im Sportverein tätig ist, ganz selbstverständlich der CDU zurechnen. Übrigens teile ich diese Einschätzung.
Lachen. Gut. Punkt gemacht. Jetzt nachstoßen, angreifen.
Daß aber die Herren Lambsdorff und Bangemann seit geraumer Zeit in geradezu unerträglicher Weise gegen uns polemisieren …
Nicht zu weit vorwagen! Besser, es Specht in den Mund legen …
… wirft nach Auffassung des Ministerpräsidenten ein bezeichnendes Licht auf den inneren Zustand der FDP. Während sie uns auf Landesebene umwirbt, tritt ihre Bonner Verwandtschaft uns unablässig gegen das Schienbein. Was sollte das wohl für eine politische Ehe geben!
Das war’s. Das reicht. Die Zeitplanung für den Redaktionsbesuch ist sowieso schon überschritten. Müßte aber morgen ein paar nette Überschriften geben.
Leider muß ich jetzt aufbrechen. Der nächste Termin wartet. Ich bedanke mich, wünsche Ihnen eine gute Zeit – und am Wahlabend sehen wir uns alle zur Siegesfeier wieder!
Nichts wie weg zum Wagen.
Hallo, Herr Herrmann. Zum Mödinger Hof. Wir sind spät dran, treten Sie aufs Gas. Und wählen Sie mal die Nummer meines Büros!
War alles okay? Kein falscher Schlenker? Specht oft genug erwähnt? Glaube, er sähe sich gerne noch öfter zitiert. Aber …
Ja, ich bin’s. Was gibt’s Neues? Nein, diese Woche auf keinen Fall. Buderius und Raible sollen sich gegen siebzehn Uhr zur Besprechung der Managerkonferenz bereithalten. Hat Eckert angerufen? Geben Sie seinem Vorzimmer die Nummer des Mödinger Hofes. Es sei dringend. Bleibt es heut abend beim Termin mit dem MP? Gut. Ich hab aber noch keinerlei Unterlagen über die Rußlandreise. Rufen Sie bitte noch mal bei Mendel deswegen an. Wie? Es rauscht so. Das Fax mit dem Stern-Interview des MP ist gekommen? Raible soll es kritisch durchlesen. Aber keine Freigabe, bevor ich’s gesehen – weg!
Diese Interviews… Verdammt dünnes Eis, auf dem Specht seine Pirouetten dreht! Immer in der Pose des Besserwissers. Der König des Konjunktivs: müßte, könnte, sollte. Provoziert die Journalisten, ihn nach Kohls Fehlern zu fragen, um sich dann staatsmännisch aufs Ratschlagen zu verlegen. Im Hintergrund ist er nicht so pingelig. Da drückt er dem Kanzler kräftig ins Wachs, was alles falsch läuft. Und liefert gleich die Patentrezepte mit. Wie der abflachenden Konjunktur auf die Sprünge zu helfen wäre. Wie Sozialleistungen gerechter verteilt werden müßten. Wie Blüms Gesundheitsreform aussehen sollte. Wie die Renten langfristig zu sichern seien. Schmeißt ein paar Brocken hin und erweckt den Eindruck, dahinter verberge sich ein Gebirge exakten Wissens. Fata morgana, aber gekonnt. Und die Journaille spielt das Spiel mit, weil’s immer amüsant ist, Bonn zu ärgern. Jetzt, im Wahlkampf, ideal. Aber hoffentlich nimmt ihn nicht mal einer beim Wort. Dreht den Spieß um und sagt: Jetzt spring, du ewiger Kanzler im Wartestand, bekenn Farbe, zeig Flagge!
Doch wie, hat Meppens einst gefragt, soll ein Chamäleon Farbe bekennen?
Nimm dich zusammen, Bernhard. Think positive! Betracht’s mal so rum: Ohne Spechts bundespolitischen Ehrgeiz hättest du viel weniger Freiraum für deine Pressearbeit. Bist häufiger mit Meldungen auf dem Markt als mancher Minister. Kriegen deswegen des öfteren einen roten Hals im Kabinett, die Herren, wenn ihnen wieder ein Thema weggenommen wird. Wir
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