Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
Zwiesel, die Arme wie ein Feldherr vor der Brust verschränkt, beugt sich zu Gundelach herüber und flüstert: Wenn er nicht dauernd ›Lieber Herr Fendrich‹ sagen würde, hätte er gute Chancen, mit diesen knackigen Sätzen in die Landesschau zu kommen. Schade! – Gundelach nickt und wird den Eindruck nicht los, daß selbst Zwiesel schon von der journalistischen Libertinage ringsum angesteckt worden ist.
    Am Ende der Pressekonferenz bittet Bertsch noch um einen Moment Gehör und stellt den neuen Mitarbeiter der Pressestelle vor. Gundelach erhebt sich linkisch und will schnell wieder Platz nehmen. Doch da steht Breisinger, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, neben ihm, ergreift seine Hand und schüttelt sie, als hätte er nach Jahren der Trennung einen alten Freund wiedergetroffen.
    Ein ganz vorzüglicher junger Mann, meine Herren! ruft er den aufbrechenden Journalisten zu und überläßt den verdutzten Gundelach, ins Vorzimmer entschwindend, einem verhalten aufflackernden Gelächter.
    Drinnen und Draußen
    Der Bus, der den holprigen Fahrweg entlangrollte, war älteren Datums. In den Kurven schaukelte er wie ein Kamel, die ermüdeten Stahlfedern gaben, wenn wieder ein Stoß aufzufangen war, ächzende Geräusche von sich. Das Gelände war wellig, nach jedem Hügel hatte man, eben noch an der Rückenlehne klebend, das unangenehme Gefühl, in ein Luftloch zu fallen.
    Der Landrat selbst hatte den Bus bestellt, es war sein Verschulden. Er wußte es auch und bemühte sich nach Kräften, den Ministerpräsidenten abzulenken, indem er die kärgliche Landschaft ringsum als Hort der Harmonie und des unerschütterlichen Festhaltens an christdemokratischen Tugenden pries.
    Breisinger nickte und forderte seinen bleichen, angespannten Gesichtszügen ein gezwungenes Lächeln ab: Unerschütterlichkeit, Herr Landrat, braucht man hier wohl auch.
    Der Abgeordnete Rebhuhn, in der Reihe vor Breisinger wie ein Gummiball auf und nieder hüpfend, drehte sich um und meinte entschuldigend: ‘s isch halt bloß e Vizinaisträßle, Herr Minischderpräsident, gell! Mr hends scho lang ausbaua wella, abers Regierungspräsidium macht it mit!
    Das wird sich jetzt wohl ändern, ihr Schlitzohren, dachte Gundelach und krakelte, Rebhuhns flinke Äuglein im Nacken, vorsorglich in den Notizblock: L 412 zwischen Birkingen und Bollderdingen in saumäßigem Zustand!
    Wie bei Kreisbereisungen üblich, legten sie den größten Teil der Strecke in einem Omnibus zurück, der den örtlichen und überörtlichen Honoratioren Gelegenheit bot, sich mit dem Regierungschef zu zeigen. Denn das war ein unvergleichlicher Augenblick – einzubiegen in den fahnengeschmückten Marktplatz eines Fleckens, der von Alten, Frauen und Kindern dicht umsäumt war, den schmetternden Einsatz der Trachtenkapelle zu vernehmen, die Menge erwartungsfroh nach oben gerichteter Köpfe zu mustern, dicht hinter Breisinger ins Freie zu drängen, Hände zu schütteln und beim Empfang so zu posieren, daß der Fotograf gar nicht anders konnte als einen mit abzulichten. Anderntags war man in der Lokalzeitung zu sehen und wurde noch tagelang auf das Großereignis angesprochen : Karle, i han dich in dr Zeitong gseha! Direkt nebem Breisinger bisch gschtanda. Wie wars, verzehl … Um dann, achselzuckend, zu erwidern: Ach, eigentlich nix bsonders. Aber politisch, des muß i saga, hatr was drauf!
    Breisinger genoß das Schauspiel nicht minder, das sich in jeder Gemeinde wiederholte, die der Ehre des ›hohen Besuchs‹ teilhaftig wurde.
    In keiner Rede fehlte die Floskel. Der Bürgermeister gebrauchte sie, wenn er den Gast am Fuß der Rathaustreppe begrüßte und ihn anschließend bat, sich ins Goldene Buch, das meist in Schweinsleder gebunden war, einzutragen. Die oft schon etwas ältlichen Jungfern, die den Willkommenstrunk reichten und nervös an ihren Häubchen und Brusttüchern zupften, sagten sie auf. Der CDU-Ortsvorsitzende ließ es sich nicht nehmen, dem hohen Besuch, der gleichzeitig sein Landesvorsitzender war, davon Meldung zu machen, daß man bei der letzten Kommunalwahl wiederum über achtzig Prozent geholt hatte – trotz Gemeindereform!
    Manchmal sagte einer, ergänzend: Ond dia paar Triepel, die ons net gwählt hend, dia kennet mr scho!
    Zwetschgen- und Kirschwasser, Schinken, Würste, Brotlaibe, Stadt- und Dorfchroniken, Weinkörbe, Bierkrüge und Wappenteller wurden dem hohen Besuch zum Geschenk gereicht, manchmal auch eine geschnitzte Fasnachtsmaske. Die gab Breisinger, der sonst

Weitere Kostenlose Bücher