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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Und ihm sei gleichfalls nicht geläufig, daß an einer Universität des Landes ein Lehrstuhl für Philosophie vakant wäre. Der Herr Kollege sei doch Philosoph, oder?
    Sozialphilosoph, sagt Müller-Prellwitz.
    Ach so, sagt Professor Baltus gedehnt, – Sozialphilosoph. Das gibt es bei uns in der Tat noch nicht. Offenbar hat man dafür bislang auch keinen Bedarf gesehen. Obwohl doch die Hochschulen sonst recht erfindungsreich darin sind, akademische Versorgungslücken aufzuspüren.
    Breisinger wird ungehalten: Wir haben den Professoren in schwieriger Zeit weiß Gott oft genug die Stange gehalten, Herr Kultusminister. Kein anderes Land ist so mannhaft hingestanden, als es darum ging, Flagge zu zeigen. Uns sind dafür Tomaten und Eier um die Ohren geflogen. Ich denke, es ist nur recht und billig, jetzt auch einmal eine Gegenleistung einzufordern!
    Breisinger hat mit anschwellender Lautstärke gesprochen. In das aufflackernde So ist es! Jawohl! hinein verkündet er: Ich werde selbst mit Professor Mohrbrunner ein Gespräch führen. Wenn ich den Eindruck habe, daß er ein Gewinn für uns ist, dann schaffen wir eine Stelle für ihn und finden eine Universität, die ihn beruft. Das wäre doch gelacht!
    Der Kultusminister schweigt vergrätzt. Der Schwung der Debatte ist fürs erste dahin, sogar das Thema Meppens verfängt nicht mehr. Zwar zwitschert die Frau Sozialminister noch: Macht doch den Meppens auch zum Professor, dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe! – doch die Antwort ist nur ein halblautes: O Gerlinde, verheb’s!
    Breisinger hat es jetzt eilig, die Tagesordnung abzuhandeln. Bundesratsangelegenheiten: darüber hat er schon berichtet, im übrigen wie Vorlage. Fortschreibung der agrarstrukturellen Rahmenplanung: können wir, Herr Landwirtschaftsminister, so beschließen. Zwischenbericht zur Arbeit der Regionalverbände: nehmen wir hiermit zur Kenntnis.
    Nur einmal noch verhakt man sich in Diskussionen. Die Novellierung des Polizeigesetzes, von Gwähr in leutseligem Plauderton vorgetragen, geht Müller-Prellwitz nicht weit genug. Mehr polizeiliche Befugnisse zur Personenkontrolle und zur Durchsuchung von Wohnungen – ob das alles wäre, was dem Innenministerium eingefallen sei? fragt er. Jeder wisse doch, daß die RAF jederzeit wieder zuschlagen könne, weil die Kommandostruktur zwischen den einsitzenden Baader, Raspe, Meins, Ensslin und den noch in Freiheit befindlichen Bandenmitgliedern nach wie vor funktioniere. Die würden gewiß ungeheuer beeindruckt sein, wenn sie erführen, daß die Polizei künftig ganze Gebäudekomplexe statt einzelner Wohnungen filzen dürfe. Ob man den Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm, die Ermordung zweier unschuldiger Geiseln denn schon wieder aus dem Gedächtnis gestrichen habe?
    Darauf der Innenminister, matt beschwichtigend: Mir gefällt’s auch nicht, Wolf, aber mehr ist einfach nicht drin! Die Innenministerkonferenz legt sich jetzt schon quer, und das Gutachten des Justizministeriums besagt eindeutig, daß –.
    Das Justizministerium, fährt Müller-Prellwitz dazwischen, täte besser daran, für eine schärfere Überwachung des Besucherverkehrs zwischen den Terroristen und ihren Anwälten zu sorgen, statt Gutachten zu pinseln, die der Polizei die Arbeit erschweren!
    Dr. Rentschler wehrt sich mit Entschiedenheit. Solange kein Mißbrauch nachgewiesen werde, sei niemand befugt, in die gesetzlichen Rechte der Verteidiger einzugreifen. Man lebe schließlich in einem Rechtsstaat und dürfe sich gerade deswegen nicht zu rechtswidrigem Handeln provozieren lassen, weil dies von den Häftlingen und ihren Helfern pausenlos versucht werde. Er erinnere nur an den Auftritt von Jean-Paul Sartre vor anderthalb Jahren, nach dessen Besuch im Terroristengefängnis, und an das Medienecho, als der französische Philosoph von ›unmenschlicher Isolationsfolter‹ gesprochen habe. Den Schuh, ruft Dr. Rentschler erregt, ziehe ich mir nicht an! Im übrigen warteten die Anwälte nur darauf, Revisionsgründe geliefert zu bekommen.
    Pullendorf ergreift das Wort und berichtet von einem vertraulichen Gespräch mit dem Gerichtspräsidenten, in dem dieser ähnliche Befürchtungen geäußert habe. Renft schweigt. Breisinger blickt auf die Uhr mit den goldenen Zifferblättern.
    Sartre, sagt Müller-Prellwitz giftig, ist doch auch einer jener Sozialphilosophen, von denen der Herr Kultusminister so wenig hält. Was machen Sie denn, Herr Minister, wenn es einer Hochschule einfallen sollte,

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